Marschfeuer - Kriminalroman
Barbara, während sie sich den
Kunststoffschutz über ihre Schuhe zogen.
Die schüttelte den Kopf.
»Nein, aber ich werde schon nicht ohnmächtig zusammenbrechen. Allerdings«, sie
machte eine kleine Pause und schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln, »falls
doch, fängst du mich auf?«
»Das wird hoffentlich nicht
nötig sein«, lachte Hendrik auf.
Lyn hatte Barbaras
Flirtattacke fassungslos verfolgt. Polizei-Barbie baggerte sogar an einem
Leichenfundort!
»Ah, die Kollegen von
der Mordkommission«, erklang eine Stimme aus der Hütte. Lyn sah einen schlanken
Mann mit dickem Parka und Wollmütze auf sich zukommen.
»Thomas!« Hendriks
Stimme klang erfreut. »Ich wusste gar nicht, dass du wieder arbeitest. Schön,
dich zu sehen.«
»Die Chemos sind durch«,
sagte der Schlanke, »ich hab’s zu Hause nicht mehr ausgehalten. Die Ärzte
finden das zwar nicht so prickelnd, aber das ist mir scheißegal.«
Sein Blick wanderte von
Hendrik zu Barbara und Lyn. »Thomas Martens, Sachgebiet1«, stellte er sich vor.
Lyn ergriff seine kalte
schmale Hand. Seine Wangen waren durchscheinend und eingefallen, und die
schwarze Wollmütze, die zweifellos eine Glatze verbarg, hob die Blässe seines
Gesichts noch mehr hervor. Er sah mehr als krank aus, aber seine Augen
strahlten in einem warmen Braunton.
»Lyn Harms. Freut mich …
Was können Sie uns zu dem Toten sagen, Herr Martens?«
»Kommen Sie mit. Aber
machen Sie sich auf keinen schönen Anblick gefasst. Das Feuer hat nicht viel
übrig gelassen.«
Sie folgten Thomas
Martens im Gänsemarsch in das Innere der Brandruine.
Hendriks »Scheiße!« ließ
Lyn Böses ahnen. Er machte einen Schritt zur Seite, damit sie einen Blick auf
die Leiche werfen konnte.
»Oh!« Mehr brachte Lyn
nicht heraus. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem Anblick, der
sich ihr bot. Sie starrte auf einen verkohlten Schädel mit weggebrochenem
Unterkiefer. Die Zähne im Oberkiefer waren das Einzige, das irgendwie
menschlich und damit umso schauriger aussah. Da, wo die Augen hätten sein sollen,
schimmerte eine klebrige Masse im Inneren des Schädels. Ein Körper war nicht
mehr vorhanden. Es sah aus, als wären die dunklen Skelettknochen mit dem
Eisengeflecht darunter verschmolzen. Lyn begann, durch den Mund zu atmen. Der
Geruch verbrannten Fleisches hing noch in der Luft.
»Ich hätte auf Onkel
Wilfried hören sollen.« Barbara Ludowigs Stimme klang dünn und piepsig. »›Geh
zum Einbruch, Kind!‹, hat er gesagt … Ich hätte es tun sollen.« Mit riesigen
Augen starrte sie neben Lyn auf die verkohlten Überreste. »Man sieht ja nicht
mal, ob es ein Mann oder eine Frau ist.«
»Zu neunzig Prozent ist
es ein Mann«, erklang eine neue Stimme hinter ihnen, »das Knochengerüst lässt
darauf schließen. Aber erst muss ich ihn auf dem Tisch haben.«
Lyn drehte sich um und
sah sich einem strohblonden Riesen gegenüber. »Hallo, Dr. Helbing. Schön, Sie zu sehen, trifft es
wohl nicht ganz.«
Der Rechtsmediziner aus
Hamburg lachte auf und deutete auf die Leiche. »Aus seiner Sicht nicht.«
»Der Tote ist zu
neunundneunzig Prozent ein Mann«, schaltete Thomas Martens sich in das Gespräch
ein. »Ein Mann, zu dem wir bereits einen Namen haben. Die Feuerwehrleute, die
die Überreste gefunden haben, haben ihn uns genannt.«
Er blickte auf seinen
Notizblock. »Waldemar Pankratz. Ein Russlanddeutscher ohne Arbeit und festen
Wohnsitz. Haust seit über dreißig Jahren in dieser Hütte. In Wewelsfleth anscheinend
bekannt wie ein bunter Hund. Der Feuerwehrmann nannte ihn«, er blickte noch
einmal auf seinen Block, » …Hühner-Waldi.«
»Hühner-Waldi?« Lyn
blickte sich um. »Wo sind seine Hühner?«
»Die Feuerwehr hat hier
beim Löschen alles plattgemacht«, antwortete Thomas Martens und deutete auf
Maschendrahtreste auf dem rußig-matschigen Grundstück. »Keine Ahnung, wo die
Viecher geblieben sind. Vielleicht ist der Stall dem Feuer zum Opfer gefallen.«
»Grillhähnchen. Lecker.«
Für diese Bemerkung
erntete Hendrik einen bösen Blick von Lyn.
»Die Feuerwehrleute
warten in ihrem Aufenthaltsraum in der Feuerwehrhalle«, sagte Thomas Martens
und deutete über die Kleingartenanlage zur nahen Wewelsflether Mehrzweckhalle,
in# der neben der Sporthalle und einer Gaststätte die Feuerwache untergebracht
war. »Sie stehen für weitere Befragungen zur Verfügung.«
»Warum glauben Sie, dass
es Mord war, Doktor?«, wandte Hendrik sich an den Rechtsmediziner. »Was lässt
so schnell darauf
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