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Marx fuer Eilige

Marx fuer Eilige

Titel: Marx fuer Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Misik
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seine Zeit nicht mit Ausschweifungen in Kneipen verbrachte. Als an der Berliner Universität die Reaktion Zepter und Katheder übernahm und Berlin für die radikalliberale Intelligenz ein zunehmend ungemütliches Pflaster wurde, reichte Marx seine Dissertation in Jena ein, wo er umstandslos zum Doktor promovierte. Doch die Türen zu einer akademischen Karriere fand der radikale Jüngling auch nach seiner Rückkehr nach Bonn fest verschlossen, so daß er sich anfangs eher aus Not der tagesaktuellen Publizistik, dem Journalismus, zuwandte.
    In der »Rheinischen Zeitung«, einer radikalliberalen Tageszeitung, fand er sein erstes Forum. Kurzzeitig übernahm Marx, der durch seinen spöttischen Stil und seine scharfe Feder beeindruckte, sogar den Posten des Chefredakteurs und hatte heftige Fehden mit der Zensurbehörde auszufechten. Doch die Verhältnisse wurden zunehmend unerträglich, und Marx räumte die Chefstelle wieder – nachdem die amtliche Schließung der Zeitung nur noch eine Frage von Tagen war.
    Im Pariser Exil – das halb selbstgewählt, auf Grund des Drucks gegen den Publizisten Marx halb erzwungen war – beugte Marx sich also über die Werke des gerade 15 Jahre toten Georg Wilhelm Friedrich Hegel, über die Bücher der jungen »linkshegelianischen« Intelligenz, mit deren Autoren er ja aus seiner Berliner und Bonner Studienzeit bekannt oder befreundet war, und wandte sich der Nationalökonomie zu. Die Gedanken schrieb er in |29| Notizhefte, die lange nicht veröffentlicht wurden. Als sie 1932 erschienen, war das eine Sensation. Nun erweise sich, schrieb damals der junge Frankfurter Philosoph Herbert Marcuse in einer Besprechung, »daß die Marxsche Theorie im Mittelpunkt der philosophischen Problematik Hegels verwurzelt ist« 13 .
    Marx schritt von der Kritik der Religion, die die Junghegelianer betrieben, zur Kritik der
wirklichen Verhältnisse
– und damit zur Kritik der Nationalökonomie. Doch sein Leben lang sollte er ein
philosophischer
Kritiker der kapitalistischen Ökonomie bleiben – einer mit großem literarischem Talent. Er hat nicht nur »einige der schönsten Seiten philosophischer Weltliteratur geschrieben, ganz durchdrungen von einem flammenden Geist« 14 , wie heute auch jene einräumen, die seinen Thesen mit Skepsis gegenüberstehen, sondern war auch beschenkt mit der Gabe des Witzes, ein großer Satiriker und brillanter Erzähler. Was, gibt etwa Francis Wheen in seiner jüngst erschienenen Biographie zu bedenken, wenn wir Marx’ ökonomische Philosophie lesen wie einen Roman, vergleichbar mit Mary Shelleys »Frankenstein«-Geschichte über das Monster, das, von Menschenhand geschaffen, sich gegen ihren Schöpfer wendet? 15
    Mit seinen berühmten »Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten« aus dem Jahre 1844 – heute allgemein als
Pariser Manuskripte
bekannt – beginnt Marx die Erzählung
seiner
Frankenstein-Geschichte, vom Menschen, der sich von seinem Wesen entfremdet, in dem er eine Welt schafft, die ihm – obwohl von ihm produziert – als ihm fremde, feindliche Macht gegenübertritt: der kapitalistische Kosmos, die Ding- und Sachenwelt mit ihren Maschinen |30| und Waren und ökonomischen Sachzwängen. Es ist eine Erzählung, die ihn nicht mehr loslassen wird. Noch sind die ökonomischen Kategorien unausgearbeitet (mit ihnen wird Marx sich in seiner zweiten Lebenshälfte herumschlagen), noch wird ein essentielles, statisch-gegebenes menschliches
Wesen
vorausgesetzt (mit den Schwierigkeiten dieses Begriffes wird er in den folgenden Jahren kämpfen).
    Der Sündenfall liegt auf seiten des produzierenden Menschen. Indem er beginnt, nicht für sich allein, sondern auch für einen anderen zu produzieren, setzt er einen Prozeß der Teilung der Arbeit in Gang, dem alle weiteren Spaltungen folgen – nur um am Ende sowohl Knecht seines Gegenstandes wie auch Knecht eines anderen zu sein, der sich den Gegenstand aneignet. Im Kapitalismus schließlich steht dem Arbeiter der Herr als Kapitalist gegenüber und der Gegenstand als Ware. Doch es ist der Knecht, der (ursprünglich) dieses Verhältnis produziert. Diese Überlegungen waren noch in enger Anlehnung an Hegel und das berühmte Herr-Knecht-Kapitel in seiner
Phänomenologie des Geistes
formuliert; doch dazu später.
    Was uns hier vorerst interessiert, ist die Wucht und das Feuer, das schriftstellerische Pathos, mit denen Marx die Konsequenzen dieses Verhängnisses, der Zerspaltung der Menschenwelt, schildert. Der Mensch entäußert sich

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