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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE GRÄN
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bewundert, das müssen Sie mir glauben.«
    Anna dreht sich um und sieht in ein erneuertes Gesicht.
    Strahlende Augen, und er lächelt zu ihr hinauf, denn er ist ziemlich klein, auch seine Frau muss ihn um einiges überragt haben. Er hat etwas genommen, denkt sie und sagt, dass sie keinen Durst mehr habe, allenfalls nach Informationen über den gestrigen Nachmittag. »Ich bin die wandelnde Neugierde«, sagt Anna. »Soll ich lieber ein andermal vorbeikommen?«
    Lenz tritt einen Schritt zurück und greift an die Stelle, wo sein Herz zu vermuten ist. »Vorbei! Ein dummes Wort. Warum vorbei? Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei. Was soll uns denn das ewge Schaffen, Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen? Da ist’s vorbei! Was ist daran zu lesen? Es ist so gut, als war es nicht gewesen. Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre. Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.«
    Soll sie ihm jetzt applaudieren? Der Schauspieler ergreift ihren Arm und führt sie zur roten Couch. »Nochmals sorry, da ist Mephisto mit mir durchgegangen. Ich habe beim Theater angefangen, und heute weiß ich, dass es meine beste Zeit war. Das Leben korrumpiert die größten Geister. Und meine Frau war eine Meisterin des Lebens. Keine Situation, der sie nicht gewachsen war. Wirklich, ich habe sie an-ge-be-tet.«
    Die fast ironische Betonung lässt diesen Satz nicht ehrlicher erscheinen. Anna versucht, nicht skeptisch dreinzusehen. Er drückt sie beinahe auf die Couch zurück. »Gehen Sie nicht, Frau Marx, ich erzähle Ihnen alles, was ich weiß. Schauspieler brauchen Publikum… und gute Drehbücher und Regisseure. Visagisten, Kostümbildner, Kameraleute, Beleuchter, Tontechniker… sie sind nichts ohne die Entourage. Doch letztlich sind sie allein. Vollkommen einsam, wenn die Scheinwerfer an sind. Wissen Sie, dass es kaum noch gute Schauspieler gibt? Nicht, weil sie dumm sind, ich meine, wir reden jetzt nicht von den Seriendeppen im Fernsehen. Nein, die meisten Schauspieler sind sehr intelligent. Aber zu ehrgeizig, Marx. Sie wollen berühmt werden und überspielen ihre Rollen. Schauspieler müssen einfach sein. Direkt. Nur das tun, was das Drehbuch ihnen vorschreibt, nicht mehr und nicht weniger. Nichts hineininterpretieren, nicht intellektuell überhöhen, keine ihrer eigenen Emotionen oder Interpretationen einbringen, sondern einfach spielen, was man ihnen sagt. Das ist die Kunst!«
    Das ist nicht das, was ich hören will, denkt Marx, doch sie nickt andächtig und wartet auf Fakten. Er ist high, und sie ist geduldig, ausnahmsweise. Die hektischen Bewegungen seiner Arme irritieren. Außerdem rollt er mit den Augen und bläht die Nasenflügel auf. Das, was davon noch übrig ist. Lenz tut genau das, wogegen er wettert: Er übertreibt. Oder es ist einfach nur ein Scheißdrehbuch. »Warum spielen Sie nicht mehr?«, fragt sie, als er einmal Atem holt.
    War das eine obszöne Frage? Er sieht sie an, als habe sie eine gestellt. »Weil ich keine Lust habe, mein Talent zu verschleudern, meine Liebe. Es gibt keine guten Drehbücher mehr und keine Regisseure von Format. Idiotische Sendungen für debile Teenager, das ist gefragt – und Rosi hat dem Markt gegeben, was der Markt wollte. Sehr weise von ihr. Pragmatismus war eine ihrer Haupttugenden. Ich habe sie dafür bewundert.«
    Warum?, denkt Anna, und nimmt dankbar eine seiner Zigaretten. »Wer war bei dem Mittagessen dabei?«
    Er gibt ihr Feuer und verbrennt sich beinahe den Finger. »Bei welchem? Ach gestern. Neben uns beiden Oliver Lindemann und Benno Mackeroth, außerdem Hanni Pelzer, Rosis Assistentin, und Gustav Brock, seines Zeichens Programmdirektor. Später kamen dann noch zwei Mädels dazu.«
    Anna kennt den Schauspieler Mackeroth, und sie hat eine Vermutung über die Profession der späteren Damen. »Wer ist Lindemann?«
    Lenz verdreht die Augen. »Oh, er ist sehr wichtig. Zuständig für Filmförderung. Der Mann mit der Kohle. Seinetwegen wurde das Essen überhaupt veranstaltet. Rosi wollte wegen der Finanzierung einer Filmidee vorfühlen. So etwas macht man anfangs ganz informell.«
    »Waren Sie immer dabei bei solchen informellen Geschäftsessen?«
    Annas Ton stört offensichtlich, er sieht sie plötzlich feindselig an. »Kommunistin? Wär ja möglich bei dem Namen. Es gibt keinen Film ohne Finanziers, meine Liebe, und die aufzutreiben ist die schwierigste Arbeit. Nein, ich war nicht immer dabei. Aber diesmal. Leider. Wir alle mussten uns noch von diesen proletarischen Kripoleuten

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