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Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Titel: Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Espinosa
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I ch schlafe gern, wahrscheinlich ist das sogar meine absolute Lieblingsbeschäftigung. Das liegt vielleicht daran, weil mir das Einschlafen so schwerfällt.
    Ich gehöre nicht zu denen, die nur die Augen schließen müssen, und schon sind sie weg. Ich kann nicht einmal im Auto, auf einem Flughafensitz oder betrunken am Strand einschlafen.
    Doch nach der Hiobsbotschaft, die mich gerade ereilte, musste ich unbedingt schlafen. Von klein auf war mir, als könnte der Schlaf uns der Welt entrücken, uns unantastbar gegen ihre Attacken machen. Die anderen können einem nur etwas anhaben, wenn man wach ist. Wer im Schlaf entschwindet, ist nicht mehr gefährdet.
    Aber wie gesagt, ich brauche lange zum Einschlafen. Und es gelingt mir nur in einem Bett, in meinem Bett, um ganz genau zu sein. Deshalb habe ich immer alle bewundert, die ihren Kopf nur auf irgendeine Unterlage betten und zwei Sekunden später tief und fest schlafen. Ich bewundere und beneide sie … Schließlich kann man nichts bewundern, was man nicht insgeheim beneidet.
    Ich brauche also mein Bett, und ich glaube, das sagt ziemlich viel über mich aus, oder zumindest über meinen Schlaf. Ganz abgesehen davon bin ich überzeugt, dass das eigene Bett, nein, Pardon, das eigene Kopfkissen das wichtigste Utensil im Leben ist.
    Gelegentlich stellt man mir diese überflüssige Frage: Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Und immer denke ich: Mein Kopfkissen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund antworte ich dann allerdings doch immer: Ein gutes Buch und einen ausgezeichneten Wein, immer mit diesen beiden unpassenden Adjektiven.
    Tatsächlich ist es aber doch so, dass man Jahre braucht, um sich ein Kopfkissen anzueignen; Hunderte Male muss man darauf schlafen, damit es diese ganz besondere Form annimmt, die einen umschmiegt und in den Schlaf sinken lässt.
    Irgendwann weiß man, wie man sein Kopfkissen für den perfekten Schlaf knicken muss, wie man es drehen muss, damit die Temperatur genau richtig ist. Man weiß sogar, wie es nach einer gut durchgeschlafenen Nacht riecht. Wüsste man doch so viel von den Menschen, die man liebt und die neben einem schlafen!
    Dazu muss ich allerdings bemerken, dass ich nicht an die Liebe glaube. Ich stelle das lieber gleich klar, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich glaube nicht daran, dass man sich lieben, vor Liebe sterben, sich nach einem anderen verzehren, wegen eines bestimmten Menschen den Appetit verlieren kann.
    Dafür habe ich immer daran geglaubt, dass Kopfkissen einen Teil der Träume, Alpträume und Probleme der schlafenden Person bergen. Wir stecken sie in Bezüge, um die Spuren unseres Lebens vor anderen zu verdecken. Keiner sieht sich gern in einem Gegenstand gespiegelt. An unseren Autos, Handys und Kleidern lässt sich ja schon so genug ablesen …
    Ich hatte an diesem Tag etwa vier Stunden geschlafen, als es an der Tür klingelte. Und das, obwohl ich normalerweise zum Schlafen alle »offenen Geräusche« abstelle. Es gibt viele offene Geräusche in unserem Leben, wenn wir in den Schlaf abtauchen: das Festnetztelefon, das Handy, die Türklingel, den Wecker, tropfende Wasserhähne, Computer … Alle diese Geräusche rasten nie, sie sind immer in Bereitschaft. Entweder man stellt sie ab, oder sie werden zu Störenfrieden.
    Ich weiß nicht, warum ich an diesem Sonntag nicht die Türklingel abgestellt habe, oder doch, ich weiß es wohl. Ich wusste, dass genau an diesem Tag die Sendung eintreffen würde, die mein Leben verändern würde. Und Geduld war noch nie meine Stärke gewesen.
    Von klein auf tat ich die ganze Nacht kein Auge zu, wenn ich wusste, dass am nächsten Tag irgendetwas Besonderes passieren würde. Ich machte gar nicht erst den Rollladen zu, das erste Morgenlicht sollte mir ins Gesicht scheinen und der neue Tag so schnell kommen, als hätte der Schlaf nicht länger als eine Werbepause gedauert. Denn irgendwie hatten Träume für mich immer etwas von Werbespots. Manche waren so lang wie eine Werbereportage, andere kurz wie Werbeclips, wieder andere blitzartige Teaser. Und alle sind ein Ausdruck unserer Sehnsüchte. Nur verstehen wir sie nicht, weil sie genauso gut von David Lynch stammen könnten.
    Doch kommen wir zum Thema zurück; ich bin also ziemlich ungeduldig, das weiß ich, und es gefällt mir. Die Ungeduld ist irgendwann zu einer schrecklich schlechten Eigenschaft erklärt worden, aber im Grunde wissen wir doch alle, dass es sich bei ihr um eine Tugend handelt. Eines Tages wird die

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