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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE GRÄN
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dass Anna dem Gurt dankte, der sie daran hinderte, durch die Scheibe zu fliegen. »Ich habe Ihnen nichts getan. Mich müssen Sie nicht foltern.«
    »Ach, hören Sie doch auf damit. Lenz ist ein Schwein, und es gibt nichts, was er nicht verdiente.«
    »Glauben Sie, dass er Frau Stark umgebracht hat?«
    Mackeroth überlegte nicht sehr lange. »Möglich wär’s schon. Sie hat ihn schlechter behandelt als den Hund. Obwohl ich ihn für einen Mord für viel zu feige halte.«
    »Es war wohl eher Totschlag. Jemand war ihr gefolgt und ergriff die Gelegenheit – oder vielmehr die Klobürste. Nur ein Augenblick der Schwäche – oder Stärke. Wie man’s nimmt. Was hätte Frau Stark gegen Sie in der Hand?«
    Der Schauspieler hielt die Kippe im Mund wie ein Cowboy. »Fallen Detektive unter das Beichtgeheimnis?«
    »Nicht direkt. Aber ich sag es nicht weiter. Ehrenwort.«
    Er sprach mit der Zigarette im Mund. Und er war immer noch wütend: »Eine gottverdammte Filmkassette. Gedreht auf einer ihrer Partys. Ich hatte gekifft, und es waren Weiber da und… wie das so ist, wenn man die Kontrolle verliert. Ich wusste nicht, dass Jacob drehte, ich war ziemlich hinüber. Rosi hat mir den Film erst gezeigt, als ich mich weigerte, in einer ihrer Serien eine Rolle zu übernehmen. Es war so… demütigend, und sie schien es wahnsinnig komisch zu finden. Ich habe den Vertrag natürlich unterschrieben.«
    »Die Serie mit dem gelähmten Frauenarzt?« Anna zählt zu den Singles, die bisweilen vor dem Fernsehapparat einfrieren, dahinschmelzen und nicht imstande sind, dem Kitsch gänzlich zu entsagen. Wenn sie auch noch weint, weiß sie zwar, dass es dumme Sentimentalität ist, aber trotzdem…
    Mackeroth bremste abrupt. Diesmal respektierte er die Farbe Rot. »Genau die. Ich habe danach alle Rollen akzeptiert, die Rosi mir anbot. Und jedes Mal versprach sie, mir die Kassette zu geben. Und dann hat sie sie angeblich verlegt. Ich war nicht der Einzige, mit dem sie dieses Spiel durchgezogen hat… Was meinen Sie, warum sie in Sachen Filmförderung so gut im Geschäft war? Oder wenn es darum ging, eine Serie oder einen Film durchzubringen? Ein feines Netz von Beziehungen und Abhängigkeiten… und mitten drin saß die Spinne… die ihre Opfer nie ganz verschlungen, sondern auch gefuttert und umschmeichelt hat. Sie war schon eine bemerkenswerte Person, und ich wünschte, ich wäre ihr nie begegnet.«
    Er hasste sie, dachte Anna, die jetzt mit ihm den Wagen voll qualmte. Sie öffnete das Seitenfenster mit Knopfdruck. In dem alten Jaguar musste man noch kurbeln. Ein Wagen aus einer anderen Zeit. Passend zur Besitzerin. Und sie würde ihn nicht verkaufen und eines Tages wieder in Betrieb nehmen. »Sie sind auch ein Klobürsten-Kandidat«, sagte sie, und Mackeroth lachte. Es klang wild und bitter.
    »Sie hat mich ins Geschäft gebracht. Ich habe gut verdient. Sie war nicht unbarmherzig, wenn man das tat, was sie wollte. Nein, ich hab sie nicht umgebracht. Es hätte im Übrigen jeder sein können. Es gibt einen zweiten Ausgang, durch den Lagerraum. Ich bin da mal rein, als ich besoffen war und die Toilette nicht fand. Er hatte zur Straße hin ein ganz simples Schloss, so was kriegt ein Kind auf.«
    Sie standen im Stau vor dem Gendarmenmarkt, und er trommelte mit den Händen ungeduldig gegen das Lenkrad. Anna sah das Lokal, in dem Rafael arbeitete, und einen verrückten Herzschlag lang meinte sie, ihn zu erkennen. Seine Stimme auf dem Anrufbeantworter hatte ungeduldig, verletzt geklungen. Warum sie ihn nicht zurückrufe? Angst, dachte Anna. Nichts konnte schlimmer sein, als sich der Lächerlichkeit preiszugeben. So demütigend wie Mackeroths Karriere von Rosamundes Gnaden. »Sie können mich da vorne rauslassen. Aber eine Frage habe ich noch: Warum will Jacob Lenz den Film nicht rausrücken?«
    Der junge Wilde schlug mit flachen Händen aufs Lenkrad. »Jacob ist viel schlimmer als sie. Er ist unberechenbar. Voller Hass gegen alle Schauspieler, die besser sind als er. Es gibt keinen, der ihm das Wasser reichen kann, verstehen Sie? Dabei ist er schon so zugeknallt, dass er sich keinen Text mehr merken kann. Er wird die Firma ruinieren, wenn Hanni nicht dagegenhält.«
    Anna hatte die Hand schon am Türöffner. »Wer ist Hanni?«
    »Hanni Pelzer. Ihre Assistentin. Der Abfalleimer. Die Nichte. Hanni wird die Hälfte der Firma erben. Das hat Rosi ihr zumindest versprochen. Denn sie wusste, dass Jacob nichts taugt. Er will den Faust verfilmen. Mit sich in der

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