Marzipaneier (Junge Liebe)
Bens Zimmergenossen rallig wie die Katzen werden.
„Liebst du mich? Ich möchte ... Nein, ich muss anders anfangen. Nicht böse sein, aber in Berlin wird im August die ideale Wohnung frei. Sag nichts. Im Oktober trete ich meine neue Stelle an. Was hältst du davon mir dabei zu helfen und mich zu begleiten?“
„In Berlin leben, zusammen mit dir? Vorstellen kann ich mir das wunderbar. Mich hält hier nichts mehr. Nichts lieber als das.“
Was für ein Angebot! Freunde werde ich finden. Kein Problem. Mit meiner großen Klappe habe ich schon viele Leute auf mich aufmerksam gemacht. Sowohl positiv als auch negativ. Auf meine hiesigen Freunde kann ich gut und gerne verzichten. Mum und Dad streiten sich ständig wegen mir. Das belastet mich. Mum hält zu mir wie es eine Mutter tut. Insgeheim bin ich immer noch ihr Baby, das sie beschützen muss. Auf diese Art könnten sie ihre Differenzen ausräumen und normal weiterleben. Schlimm genug, dass der Haussegen wegen mir schief hängt. Das muss ich wieder gutmachen. Ich habe schließlich nicht vor, ewig zu Hause zu bleiben. Sie müssen sich damit abfinden, dass ihr kleiner Dennis erwachsen wird.
Dad gibt mir zu verstehen, dass es so nicht geht.
„Du bist noch keine 18. Wir sind verpflichtet für dich zu sorgen. Ich glaube nicht, dem zustimmen zu können.“
Ich schlucke meinen Ärger runter. Bloß nichts Falsches sagen. Wenn ich in den letzten Wochen etwas gelernt habe, war es die Hoffnung niemals aufzugeben und erst nach dem Denken loszureden.
Dad hat Ben zu uns gebeten. Sie wollen friedlich darüber reden. Das einzige Manko ist, dass ich bei dem Gespräch nicht dabei sein darf. Obwohl es ja nur um mein Wohl geht. Ich komme mir vor wie ein Stück Ware, das bei einer Auktion zum Höchstpreis verhökert wird. Wenn Bens Konzept Dad überzeugt, kann ich umziehen. Sie schreien nicht. So sehr ich mich bemühe ihren Worten zu lauschen, es geht nicht. Ich lege mich sogar auf den Boden, mein linkes Ohr dicht an den Teppich gepresst, um einen flüchtigen Gefühlsausbruch zu erhaschen. Nichts. Wenigstens unterhalten sie sich wie normale Menschen und hauen sich nicht. Obwohl beide sehr temperamentvoll sein können.
Ich sitze auf meinem Schreibtischstuhl und starre auf die Tür. Kommt denn keiner, der mich über meine Zukunft informiert? Kaum ausgedacht steht Ben in der Tür und setzt sich mit roten Augen zu mir. Er ergreift meine Hand. Durchatmen, Dennis!
„Es war leichtfertig und unüberlegt von mir, dir das Angebot zu unterbreiten. Ich habe nicht richtig nachgedacht. Unmöglich dich mitzunehmen. Die ganzen Formalitäten und das Drumherum. In diesem Fall habe ich dir wirklich utopische Flausen in den Kopf gesetzt. Tut mir leid. Sorry.“
„Aber Ben. Wir wollten doch zusammen bleiben. Bitte. Was soll ich hier?“
„Du kannst mich in den Ferien besuchen und nach dem Abitur bei mir studieren. Versprochen. Solange müssen wir noch warten. Das schaffen wir!“ Er nimmt mich sorgsam in seine Arme. Irgendwas ist mit ihm nicht in Ordnung. Hat er geweint?
„Sure. Wenn du es sagst“, stimme ich bedrückt zu. Ich lasse mir meine Enttäuschung nicht anmerken. Alle Ferien werde ich zu ihm gehen. Vielleicht glätten sich die Wogen in der Clique, wenn Ben weg ist. Ich hoffe es.
„Wie viel Zeit haben wir noch?“
„Nicht mehr lange. Ende nächster Woche geht’s los. Ich muss es langsam angehen, aber ich werde bis September in der Regel einmal pro Woche in Frankfurt sein, um meine restlichen Geschäfte abzuklären.“
Bon Voyage
Abschied nehmen ist schrecklich. Dad und Opa waren sogar dabei. Scheinheilig freundlich. Ich glaube sie wollten nur sicherstellen, dass Ben wirklich in den Zug steigt. Heftig, ihn winkend fortfahren zu sehen. Gut, dass Mum da ist. Ich kann sie wirklich gebrauchen. Sie gibt mir Halt. Manchmal brauche selbst ich noch einen Klecks Mutterliebe.
„Ich bin verblüfft, dass du nicht gekämpft hast“, sagt Cora. Was soll ich denn machen, wenn Ben sich dagegen entschieden hat?
„Es wäre bestimmt nicht gut gegangen und hätte unsere Beziehung belastet, weil er gezwungenermaßen versuchen würde, die Kontrolle über mich zu bekommen.“
„Meinst du echt? Für so albern halte ich Ben nicht. Du musst es wissen. Du kennst ihn besser als ich.“
Wir machen es uns inzwischen in einem Café auf der Zeil gemütlich und beobachten Passanten. Das haben wir schon immer gerne gemacht. Am Nebentisch sitzen zwei Gören, die ihrer Mutter gewaltig auf der
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