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Masala Highway

Titel: Masala Highway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel A Neumann
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Berge in Frankreich, Rumänien und Neuseeland durften bereits als Kulisse herhalten. „Eigentlich ist das alles nur ein Ersatz“, erklärte mir ein älterer Bekannter einmal die Beliebtheit des Bildmotivs. „Wir sehen Berge – und denken an Kashmir.“ Doch die Höhen im pakistanisch-indischen Grenzgebiet, in der Vorstellung vieler Einwohner beider Staaten sozusagen ein Himmel auf Erden, sind seit Jahrzehnten eine der am stärksten militarisierten Zonen der Welt – viel zu heiß umkämpft für Playback-Tanzeinlagen.
    Apropos Playback: Dass die Darsteller nicht singen, während sie durch das Filmset springen, scheint nahe liegend. Wenn man einen Film im Original sieht, fällt dem Zuschauer spätestens bei dem Part einer weiblichen Figur auf, dass ihre Stimme auffällig anders klingt als während der Dialoge. Frauenstimmen klingen beim Gesang sehr hoch, für ungeübte Ohren schrill – wie die eines kleinen Kindes. Tatsächlich singen die Stars ihre Songs selten selbst – warum sollten sie auch. Schließlich haben die Lieder, siehe oben, wenig mit der Handlung zu tun, und Schauspieler sind ja nicht zum Singen da. Einige der Stimmen im Hintergrund sind berühmt geworden. In unseren Breiten besang die Band Cornershop in ihrem Song „Brimful of Asha“ eine der bekanntesten Sängerinnen, Asha Bhosle: „There's dancing behind the movie scenes …“ Asha Bhosle und ihre Schwester Lata Mangeshkar wurden um 1930 geboren und arbeiten seit den Vierzigerjahren im Filmgeschäft. Noch immer sind beide aktiv, und damit gar keine so große Ausnahme. Dass Filmsternchen von knapp über zwanzig Lenzen ihre Lippen zu den Stimmen von Frauen von weit über siebzig Jahren bewegen, scheint niemanden zu stören. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Es würde wohl viele irritieren, wenn die Stimmen der Sängerinnen plötzlich wie die echter Frauen klingen würden und nicht wie Wesen aus einer anderen Welt.
    Ob Sänger oder Schauspieler: Die Helden des indischen Kinos werden verehrt. Diese Verehrung endet noch lange nicht mit dem Abspann eines Films und auch nicht mit der aktiven Schauspielkarriere eines Stars. So harmlos wie allgegenwärtig wirkt die Gleichsetzung der Verehrung von Göttern des indischen Himmels und der von Leinwandhelden. So zieren in den Dörfern auch Fotokarten von leicht bekleideten Schauspielerinnen den Hausaltar – gleich neben der kleinen Götterstatue und den Räucherstäbchen. Die großen Stars – zu den wichtigsten männlichen gehören zur Zeit neben dem bereits erwähnten Shah Rukh Khan („SRK“) der „Big B“ genannte Amtitabh Bachchan, Hrithik Roshan und Aamir Khan – werben auf Plakaten, in Magazinen und im Fernsehen für alles Mögliche, vom Handyvertrag bis zum Kaugummi. So viel öffentliche Aufmerksamkeit nutzen viele Stars auch auf anderer Ebene: in der Politik. Der Telugu-Schauspieler N.T. Rama Rao stellte sich erfolgreich als Ministerpräsident von Andhra Pradesh zur Wahl. Im Wahlkampf trug er ein ähnliches Kostüm wie das, mit dem er in der Rolle eines Försters Erfolg gehabt hatte. Getoppt wird die Vermengung von Politik und Film in Tamil Nadu: Gleich drei der Ministerpräsidenten des Landes sind mit dem Filmgeschäft verbunden – und jeder Einzelne hat eine Reihe von Verstrickungen in Korruption und Begünstigung vorzuweisen. Skurrile Spuren hinterlassen bis heute die drei Amtszeiten von M.G. Ramachandran – bis heute sprechen viele Menschen in Tamil Nadu nur von „MGR“. Wie als Schauspieler pflegte er als Politiker seinen Wiedererkennungswert, zum Beispiel durch das Tragen einer übergroßen Sonnenbrille. Auch als Statue, viele davon noch zu Lebzeiten errichtet, kann man ihn in Tamil Nadu bis heute so bewundern. Wie brisant die Vermischung von Politik und Personenkult werden kann, zeigt das Ende des Filmpolitikers: Nach dem Tod MGRs durch Nierenversagen und Herzstillstand 1987 kam es in Tamil Nadu zu Unruhen. Zuvor sollen sich zwei Dutzend Menschen das Leben genommen haben, angeblich ein Opfer, um ihrem Idol einige zusätzliche Jahre Gesundheit zu ermöglichen. Bei MGRs Beerdigung, bei der mehrere Hunderttausend Menschen zusammenkamen, starben weitere 29 seiner Anhänger im Chaos, Zehntausende ließen sich als Zeichen ihrer Trauer für den Politiker den Kopf scheren.
    Amitabh Bachchan, Jahrgang 1942, wäre geradezu ideal für die Rolle des Elder Statesman geeignet. Sein Comeback erreichte er als Moderator der indischen Version von „Wer wird Millionär“ – man stelle sich

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