Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
Vom Netzwerk:
mich an. Das ist im Moment wichtiger als der Verkauf des MGB.«
    »Frank Borsch, du betrügst dich gerade selbst. Und das weißt du.«
    »Sei nicht so gnadenlos zu mir. Du hast gut reden. Du kaufst dir alle halbe Jahre ein neues Auto und brauchst nicht auf die Größe zu achten. Aber ich, ich bin bald Familienvater.« Frank blieb bei dem Gedanken hängen. »Familienvater, wie das klingt.«
    »Nicht schlecht, jedenfalls, wenn du mich fragst.«
    »Sei mir nicht böse, Bert. Ich will jetzt wirklich los. Lisa wartet bestimmt schon auf mich. Und, Bert, danke für dein Verständnis.«
    »Schon gut, Familienvater.«

    »Setzen Sie sich doch.« Hiltrud Claassen war ihm vorangegangen und stellte das Tablett mit dem Kaffeegeschirr auf den Wohnzimmertisch. Dabei schob sie beim Absetzen mit dem Tablett einige Dokumente und Fotos zur Seite, die auf der Tischplatte ausgebreitet lagen. »Sie müssen bitte entschuldigen – ich bin gerade dabei, den Nachlass meines Vaters zu ordnen. Ich habe viele Fotos und Briefe gefunden, die ich sortieren möchte. Ich weiß gar nicht, wohin mit den ganzen Sachen. Ich kann doch nicht alles behalten. Andererseits habe ich auch nicht genügend Platz.
    »Machen Sie sich keine Umstände. Ich kenne das Problem. Damals, als meine Eltern gestorben sind, hatte ich das gleiche Problem. Es ist schon ein hartes Stück Arbeit, die Vergangenheit eines Menschen zu sortieren und auf die wichtigen Erinnerungen und Andenken zu reduzieren.« Frank setzte sich.
    Hiltrud Claassen setzte sich in den Sessel neben dem Sofa und strich sich etwas verlegen den Rock glatt. »Sie haben recht. Und je mehr Fotos und Dokumente ich finde, umso weniger kenne ich meinen Vater. Ich meine, natürlich kenne ich meinen Vater, aber auf den Fotos, gerade auf den ganz frühen Aufnahmen, sieht mich ein fremder Mann an. In Wirklichkeit weiß ich gar nichts von meinem Vater. Außer seinem Geburtsdatum, den Tag seiner Heirat und dem Wenigen, was er von sich erzählt hat. Aber seine Träume, zum Beispiel als junger Mann, seine Sorgen und Ängste als Soldat, sein Leben in der, ja, Zeit des Wiederaufbaus, sein Leben bis zu unserer Geburt, das kenne ich nicht, und ich kann es mir nicht vorstellen. Und ich habe niemanden, den ich danach fragen kann.« Sie hatte Tränen in den Augen. »Das ist das Schlimmste an seinem Tod: Niemanden mehr fragen zu können.«
    Frank schwieg.
    Hiltrud Claassen tupfte sich mit einem Papiertaschentuch die Tränen von der Wange. »Entschuldigen Sie bitte, aber ich kann es immer noch nicht begreifen, dass mein Vater ermordet wurde. Was kann ich für Sie tun, Herr Borsch? Sie wollten noch einige Dinge nachfragen, haben Sie am Telefon gesagt. Bitte, fragen Sie.«
    Frank sah Hiltrud Claassen an. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Frau Claassen. Im Moment haben wir noch nicht den Hinweis, der unsere Ermittlungen einen entscheidenden Schritt weiterbringt. Wir, na ja, ›stochern‹ wäre jetzt nicht der richtige Ausdruck, aber der Nebel liegt noch ziemlich dick auf unseren Spuren und Hinweisen. Und deshalb möchte ich Sie bitten, dass Sie sich noch mal an den Aufenthalt Ihres Vaters in der Hardterwald-Klinik erinnern. Hat er irgendetwas erwähnt? Dass die Behandlung schlecht sei, dass er mit den Ärzten Streit hatte, dass er sich vernachlässigt gefühlt hat. Irgendetwas.«
    »Aber das habe ich Ihnen doch schon alles erzählt, Herr Borsch. Ich meine, warum wollen Sie das alles wissen?« Hiltrud Claassen schwieg einen Augenblick und sah vor sich auf den Wohnzimmertisch. Sie nahm eines der alten Fotos in die Hand, betrachtete es kurz und legte es dann zu den anderen zurück. »Also, mein Vater hat nicht erzählt, dass es in der Klinik Streit gegeben hat. Er hat im Gegenteil von der freundlichen Betreuung geschwärmt. Von seinem behandelnden Arzt hat er viel gehalten. Er ist in der Zeit seines Aufenthalts richtig aufgeblüht. Und mit den anderen Patienten ist er auch zurechtgekommen. Nein, Herr Borsch, ich kann Ihnen nicht helfen. Es gibt nichts, was mir negativ aufgefallen ist.«
    »Sagen Sie mir bitte, wie ich Ihren Bruder erreichen kann.«
    Hiltrud Claassen sah den Kriminalbeamten aus Mönchengladbach irritiert an. »Was meinen Sie? Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich meinen Bruder schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich weiß ja noch nicht einmal mehr genau, wo er in England wohnt. Er ist doch immer mal wieder umgezogen. Ich weiß nur, dass er irgendwo an der Ostküste lebt. Was anderes kann ich dazu nicht

Weitere Kostenlose Bücher