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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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England gekommen. Er liebt dieses Land. Das habe ich Ihnen doch auch schon gesagt. Er hat sich dort ganz auf seine Arbeit konzentrieren können. Das hat ihn abgelenkt. Von seinen Schmerzen, von seinen Gedanken.« Hiltrud Claassen sah erschöpft aus. Ihre Stimme war zum Schluss immer leiser geworden.
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »Ich habe ihn einmal in England besucht, damals. Vor vielen Jahren. Als er noch in Great Yarmouth wohnte. Ganz zu Anfang. Ich war für ein verlängertes Wochenende bei ihm. Ohne meinen Mann. Herbert war damals die ganze Zeit über sehr still gewesen. Wenn er gesprochen hat, haben wir über seine neue Heimat geredet, über seine Arbeit. Und wie schwer er es gehabt hat, Fuß zu fassen in England. Er hat direkt am Meer gewohnt, in einem kleinen Häuschen, nicht weit vom Strand. Herbert liebt das raue Klima, den Wind und die aufgewühlte See. Und er mag die Engländer, die nicht nach seiner Geschichte gefragt haben. Stunden haben wir in seinem Lieblings-Tea-Room verbracht, lange geschwiegen und doch auch erzählt. Es war eine merkwürdige, gleichzeitig entspannte und doch sehr angespannte Situation, soweit ich mich erinnern kann. Herbert hat mir dann erst am Tag meiner Abreise sein Herz ausgeschüttet. Danach habe ich dann nur noch ganz selten etwas von ihm gehört. Ich glaube, dass er mittlerweile ganz erfolgreich mit seinen Übersetzungen ist. Die englischen Verleger reißen sich um seine sensiblen Gedichtübersetzungen.«
    »Und was genau macht er? Welche Autoren übersetzt Ihr Bruder?«
    »Ich weiß nicht genau, ich glaube vor allem Lyriker des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, soviel ich weiß. Ich habe von Literatur nicht wirklich Ahnung, müssen Sie wissen.« Hiltrud Claassen hatte die Arme vor der Brust verschränkt, als würde sie frieren.
    »Auch Rilke?« Frank konnte den lauernden Unterton in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken.
    »Rilke? Wieso Rilke?«, fragte Hiltrud Claassen vorsichtig.
    »Beantworten Sie mir einfach meine Frage. Auch Rilke?«
    »Wenn das ein Dichter aus dieser Zeit ist, dann bestimmt auch Rilke. Wie gesagt, mit Literatur kenne ich mich nicht so gut aus. Warum fragen Sie ausgerechnet nach diesem Rilke?«
    »Sagt ihnen das Gedicht Herbst etwas?« Frank versuchte, aus dem Gedächtnis die ersten Zeilen zu rezitieren. »Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde.« Frank stockte. »So ungefähr geht die erste Strophe. Haben Sie das Gedicht schon einmal irgendwo gehört? Oder mal ein Buch bei Ihrem Bruder gesehen? Das Buch der Bilder vielleicht?«
    Hiltrud Claassen schüttelte den Kopf. »Nein, nie gehört. Und mit den Büchern meines Bruders kenne ich mich nicht aus. Warum fragen Sie mich das alles?«
    Frank erzählte ihr mit wenigen Worten davon, dass sie bei ihren Ermittlungen immer wieder auf dieses Gedicht gestoßen waren. »Leider haben wir bisher nicht die geringste Ahnung, was es mit den Zeilen auf sich hat. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass uns der Mörder mit dem Herbstgedicht einen Hinweis geben will.
    Hiltrud Claassen kam wieder zum Sofa, blieb davor aber unschlüssig stehen. »Wie gesagt, ich kann Ihnen nicht helfen. Ich weiß nichts von meinem Bruder. Ich weiß nur, dass er irgendwann von Great Yarmouth aus ein Stück weiter die Küste hochgezogen ist.« Sie setzte sich. »Ich weiß gar nichts mehr. Bitte, Herr Kommissar, können Sie nicht gehen und mich in Ruhe lassen?« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die Fotos. »Ich muss mich jetzt wirklich um den Nachlass meines Vaters kümmern. Einer muss das doch tun. Und sonst habe ich ja nichts mehr von meinem Vater.« Sie suchte wieder nach ihrem Taschentuch.
    Frank beugte sich zu ihr und sah ihr direkt in die Augen. »Frau Claassen, für den Augenblick habe ich genug gehört und gesehen. Aber ich komme wieder, das kann ich Ihnen schon jetzt versprechen. Denn ich glaube ihnen kein Wort. Sie schützen einen Mörder, Frau Claassen.«

    Veilchendienstag. Frank hatte den Höhepunkt der Mönchengladbacher Karnevalssession völlig vergessen. Umso mehr hatte er sich geärgert, als er spät am Vormittag von Eicken aus zum Präsidium fahren wollte und wegen der Vorbereitungen und Absperrungen einen Umweg fahren musste. Er hatte an mehreren Ampeln kopfschüttelnd die großen Scharen bunt kostümierter Zugbesucher an sich vorbei Richtung Innenstadt ziehen lassen. Als er noch Uniform getragen hatte und Dienst im

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