Maskenspiel
natürlich sind abends oder nachts andere Gesetze am Wirken.«
Katinka schrieb etwas in ihr Notizbuch. Was meinte er mit andere Gesetze sind am Wirken ?
»Was meinen Sie damit?«, fragte sie arglos.
»Jeder kann hier rein! Alle meine Mitarbeiter haben Schlüssel für die Haustür unten und für ihre Zimmer. Das sind drei: eines für die studentischen Hilfskräfte, eines für die Assistenten Burgwart und Montfort und ein Bibliothekszimmer. Den Schlüssel dafür bewahrt Fria Burgwart auf, übrigens auch den zum Sekretariat. Im Bibliothekszimmer befinden sich auch noch drei Computerarbeitsplätze«, fügte Laubach hinzu.
Katinka schwirrte der Kopf.
»Jeder Mitarbeiter kann in sein Zimmer, aber die Assistenten haben die Schlüssel zu allen anderen Räumen?«
»Ja«, antwortete Laubach mit einem Seufzer. »Nur nicht für mein Zimmer. Dieser Schlüssel ist im Sekretariat versteckt, und den Platz kennt nur Frau Först.«
»Also ist Ihr Büro am sichersten, kann man das so sagen?«
»Ja. Aus meinem Zimmer ist auch noch nie etwas verschwunden.«
Laubach blies die Luft aus seinen Nasenlöchern, es klang wie Meeresrauschen. »Ich habe bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein paar Freunde«, dozierte er weiter. »Deshalb bekam ich das ehrgeizige Projekt auch schon zweimal verlängert. Es ist auch ein Imperativ der Forschung, es ist«, er schnaubte wieder, »aber was erzähle ich Ihnen das. Sie sind Historikerin und Archäologin, hat Hauke mir gesagt.«
»Das ist richtig«, antwortete Katinka, während sie sich abmühte, eine gewisse Ordnung in ihre Notizen zu bekommen.
»Warum haben Sie nicht promoviert?«
»Das hatte verschiedene Gründe«, entgegnete Katinka. Wie oft hatte Julius Liebitz, ihr Mentor, sie daran erinnert, dass die Detektivin die Fragen stellte.
»Sie erinnern mich gewaltig an Rumolt Lennert«, sagte Laubach leutselig. »Komischer Name, nicht? Sein Vater war ein intimer Kenner des Mittelalters, und er liebte die Nibelungensage. Rumolt war der Küchenmeister , Sie kennen das ja sicher. Jedenfalls, der arme Junge hat jetzt diesen Namen. Und er plant, seinen Vater zu übertrumpfen: Er wettet, er lernt das gesamte Nibelungenlied auswendig – in Mittelhochdeutsch! Sein Vater«, fügte Laubach hinzu, »kann es auch auswendig. Aber in neuhochdeutscher Übersetzung.«
Katinka musste an sich halten, um nicht vor Verwunderung den Kopf zu schütteln. Laubach hielt soviel Eifer offensichtlich für verehrungswürdig.
»Ich brauche eine Liste aller Mitarbeiter. Wenn möglich auch ihrer Arbeitszeiten. Wie sieht es mit Putzfrauen aus?«
»Daran habe ich gleich am Anfang gedacht«, sagte Laubach. »Die Uni beschäftigt keine eigenen Putzfrauen, sondern mietet sich Putzkolonnen von Reinigungsfirmen. Die kommen alle aus Osteuropa, die Mädchen«, fügte Laubach hinzu. »Man kann sich nicht mal mit ihnen verständigen.« Er schüttelte den Kopf. Katinka starrte ihn verwundert an. Ein großer, berühmter Linguist, der an Sprachbarrieren scheiterte?
»Ich denke, die Putzfrauen würden womöglich die Kaffeekasse stehlen, aber doch nicht an unseren Datenbeständen herumfummeln«, machte Laubach weiter. »Außerdem sind die Computer alle mit einem Passwort geschützt.»
«Und das heißt«, sagte Katinka, »dass nur jemand überhaupt Daten verändern kann und alte Versionen über die aktuellen spielen kann, der das Passwort kennt.«
»Sie haben’s erfasst, Frau Detektivin«, sagte Laubach. »Es muss einer meiner Mitarbeiter sein, oder eine studentische Hilfskraft. Seit Beginn des Wintersemesters hatten wir sechsmal eine Manipulation, und jedes Mal ging die Arbeit von Wochen flöten.«
»Was ist mit dem Nibelungenverehrer?«
»Rumolt Lennert kommt nur, wenn es Probleme mit den PCs gibt. Genauer gesagt mit seinem Programm. Aber er kennt das Passwort nicht. Kümmern Sie sich drum. Und sprechen Sie mit Stielke. Er ist am schlimmsten dran.«
Laubach ging bei seiner Berichterstattung nicht gerade systematisch vor.
»Wer ist Stielke?«
»Carsten Stielke, unser Tutor. Er promoviert bei mir, und nun sind all seine Daten abhanden gekommen.«
»Um Himmels willen!«, entfuhr es Katinka. Sie hatte beim Abfassen ihrer Magisterarbeit unter der Vorstellung gelitten, ihr Computer könne abstürzen und all ihre Arbeit zunichte machen. Beinahe neurotisch geworden, hatte sie täglich Sicherheitskopien angefertigt.
Laubach nahm den Telefonhörer ab und sagte: »Frau Först, drucken Sie für Frau Palfy mal unsere Personalliste
Weitere Kostenlose Bücher