Maskenspiel
Bei den Ausgrabungspraktika? Ich musste nur eine ungefähre Beschreibung des Projektes abgeben, und schon waren Sie Feuer und Flamme.«
»Welcher Lehrstuhl?«, wiederholte Katinka. »Romanisten gibt es doch mehrere an der Uni, oder?«
»In der Tat«, antwortete Hauke von Recken. Er schien zu spüren, dass Katinka auf Plaudereien zu ihrer studentischen Vergangenheit keinen größeren Wert legte.
»Professor Doktor Milo Laubach«, sagte er, und Katinka schrieb sich den Namen rasch auf. »Er ist Linguist, hat für die Zauberfee der Literatur also wenig übrig. Milo ist eine sehr bekannte Figur unter den romanistischen Philologen dieser Welt. Er ist geschätzter Herausgeber einflussreicher Publikationen, Sie wissen schon. Kennen Sie ihn?«
»Noch nicht«, gab Katinka zurück. All diese Lobpreisungen waren ihr sofort suspekt. »Was genau sind die Probleme?«
»An seinem Lehrstuhl verschwinden Sachen«, sagte Professor von Recken. Katinka ließ enttäuscht den Bleistift sinken.
»Es verschwinden Sachen?«
»Ja, nicht Radiergummis oder die Kaffeekasse, sondern richtig wichtige Dinge. Datenbestände auf den Computern werden gelöscht, Disketten gestohlen, CDs unbrauchbar gemacht. Niemand kann sich vorstellen, wer dahinter steckt, und meinem Kollegen fehlt, wie soll ich sagen, ein wenig der Überblick«
»In welcher Hinsicht?«
»Er hat etliche Mitarbeiter«, sagte Hauke von Recken und räusperte sich. »Ich will das jetzt nicht kommentieren, aber Milo hat es offensichtlich geschafft, trotz Sparzwängen auf einige Fetttröge zuzugreifen. Er hat zwei Assistentenstellen, eine Vollzeitsekretärin, Projektmitarbeiter, Tutoren, studentische Hilfskräfte … alles, was wir anderen uns wünschen, aber nie bekommen.«
Katinka stöhnte im Stillen. Hier flammte sie wieder auf, die Akademikerneurose, Nervenplage ihrer Studienzeit. Subtile Anschuldigungen, Missgunst, Neid. Immer schwang in der Kritik, die vermeintlich auf die sachliche Ebene bezogen schien, persönliche Animosität mit und die Feststellung, selber der Beste zu sein, besser als alle anderen, wenn diese große Wahrheit auch noch nicht die Welt ausreichend zu durchdringen vermocht hatte.
»Professor Laubach hat seine eigenen Mitarbeiter im Verdacht, kommt aber nicht dahinter, wer Disketten stiehlt, ist das korrekt?«
»So habe ich es auch verstanden. Na ja, kürzlich tagte der Promotionsausschuss, dem ich als Vorsitzender angehöre.« Von Recken machte eine Kunstpause, um Katinkas Lob bezüglich seiner zahlreichen Aktivitäten einzusammeln, aber es kam nichts. Also fuhr er fort: »Laubach erzählte mir bei einem Kaffee, was sich bei ihm am Lehrstuhl tut. Er hat seine Räume ja auch so weit ab vom Schuss, an der Weide, gleich bei der Konzerthalle. Weit genug entfernt, um den guten Milo und seine Mannschaft nicht allzu oft zu Gesicht zu bekommen.«
»Ist dies ein Auftrag an mich?«
»Brauchen Sie einen?«, kam es zurück.
Katinka legte den Bleistift weg und zählte bis zehn, ehe sie antwortete. Mit einem Mal konnte sie nicht mehr verstehen, dass sie von Recken einmal besonders sympathisch gefunden hatte.
»Wer ist der Auftraggeber? Sie? Ich frage wegen der Rechnung.«
»Um Himmels willen!«, rief von Recken nun ehrlich erschrocken. »Selbstverständlich nicht. Ich habe Milo lediglich erzählt, dass eine meiner besten Absolventinnen«, er hielt wieder inne, aber Katinka reagierte nicht, »inzwischen lizenzierte Detektivin ist. Milo möchte verständlicherweise nicht zur Polizei gehen, so spektakulär ist das alles ja nicht.«
»Sie wollen sagen, es ist eine so langweilige Angelegenheit, dass ruhig eine Privatdetektivin daran üben kann«, entfuhr es Katinka. Nicht sehr professionell, hätte Tom jetzt gesagt.
»Aber, wo denken Sie hin! Frau Palfy! Nein, nein, so ist das keineswegs gemeint. Versetzen Sie sich in Laubachs Lage! Ein Lehrstuhlvertreter, der seine Leute nicht unter Kontrolle hat – peinlicher geht’s nicht. Milo hat viele Neider! Sie wissen doch, wie das ist: Manche üben ein richtig hartes Regime aus, andere lassen ihre Mannschaft machen, was sie will!«
Katinka blätterte angelegentlich in ihrem Notizbuch.
»Ich habe erst heute Nachmittag wieder einen Termin«, sagte sie schließlich. Von Recken sollte keinesfalls von ihrem mühsamen Weg in die Selbständigkeit erfahren. »Ich kann bei Laubach vorbeigehen. Ist er jetzt in seinem Büro?«
»Er lehrt nur donnerstags und freitags. Er müsste also dort sein. Weide 18, im ersten Stock. Das
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