Maskenspiel
sofern der Schlüsseldienst Heppner bereit war, ihr in einer etwaigen Bedarfssituation nach Kräften auszuhelfen.
»Tja«, fuhr Katinka fort, »die Polizei konnte es kaum glauben. Helena kam quasi in jede Wohnung rein. Sie wollte an dem Abend, als ich Fria ihre Anziehsachen fürs Klinikum geholt habe …«
»… und als du ein wenig geschnüffelt hast …«, gab Tom zum Besten.
»… an dem Abend wollte sie in Frias Wohnung eindringen. Ein bisschen rumgucken. Aber sie sah mich rauskommen. Ihr Mann, Hermann, hat sich in mein Büro eingeschlichen und die Kassette mit seiner Ansage drauf aus dem AB rausgenommen. Du meine Güte.« Katinka schüttelte den Kopf, als könne sie selbst kaum glauben, was sie alles erlebt hatte.
»Wie ist es auf der Tagung eigentlich noch gelaufen?«, fragte sie schließlich und schnorrte von Britta eine Gauloise .
»Och, es ging richtig ab«, grinste Britta. »Die meisten Leute waren natürlich erschrocken, reagierten dann aber einigermaßen entspannt. Laubach warf mehrere Pillen ein, die seine liebe Frau aus ihrem Umhang fischte. Er sieht überhaupt nicht gesund aus. Frage mich, ob er so einen Stress noch lange durchhält.«
»Es muss schockierend für ihn sein, seine beste Mitarbeiterin als Mörderin entlarvt zu sehen«, warf Alban ein.
»Wie geht’s eigentlich Fria?«, fragte Britta rasch. Die Seiten auf ihrem Block füllten sich mit ihrer großformatigen, weit nach rechts geneigten Schrift.
»Sie hat ziemlich viel Blut verloren«, sagte Tom. Er spielte mit seinem Bierfilz herum. »Eigentlich habe ich persönlich sehr gemischte Gefühle ihr gegenüber. Auf der einen Seite Mitleid, dann aber auch wieder deutliche Abneigung.«
»Sie ist krank«, sagte Katinka. »Psychisch krank. Im Moment muss sie im Klinikum bleiben, die Stichwunden sind teils wieder aufgegangen oder haben sich entzündet. Helena hat ihr außerdem noch ein paar Schrammen verpasst, und einer ihrer Hiebe hat Frias linkes Schlüsselbein gebrochen. Das hat böse geknackt, sage ich euch. Und dann sollte sie dringend eine Therapie machen. Ihr krankhafter Ehrgeiz und das Sendungsbewusstsein, das Scheitern ihres Bruders kompensieren zu müssen, können auf Dauer wohl ziemlichen Schaden anrichten. Bei ihr selbst und anderen«, fügte Katinka hinzu.
»Die Messerstecherei in der Spielothek hatte tatsächlich nichts mit den Vorkommnissen bei Laubach zu tun, oder?«, versicherte sich Britta.
»Nein.« Katinka schüttelte den Kopf. »Eine reine Familienangelegenheit, wie man so sagt.«
»Sie haben wirklich Glück gehabt«, sagte Alban und fixierte Katinka mit seinem ätherischen Blick. »Die Szene bei der Konzerthalle, die hätte übel ausgehen können.«
Tom nickte bekräftigend, aber Katinka konnte gerade keine Diskussion über ihr Abenteuer vom Freitag vertragen.
»Noch dazu die Manipulationen an deinem Rad«, mahnte Tom. »Das war wohl auch Hermann, oder?«
»Soweit wir im Moment wissen, war er es«, bestätigte Ka-tinka.
»Mit wir meint sie sich und den Kommissar«, sagte Britta grinsend. Tom zog einen Flunsch und Katinka musste lachen. Dann seufzte sie. »Die Polizei hat endlich Henrys Leiche freigegeben. Am Mittwoch ist die Beerdigung. Kommt ihr mit?«
Alle nickten. Dann schwiegen sie eine Weile und hingen ihren Gedanken nach.
»Aber weshalb«, hakte Britta schließlich nach, »weshalb, und danach halte ich meinen Mund, ist Ruth letzte Woche abends noch mal ins Büro gegangen? Zwei Tage, nachdem ihr Kommilitone ermordet wurde?«
»Der Polizei hat sie erzählt, sie wäre unruhig gewesen, vielleicht wäre was übersehen worden, das den Täter hätte entlarven können. Sie war wohl ganz gut mit Henry befreundet und deshalb viel schockierter als alle anderen Lehrstuhlleute.«
»Schlimm, schlimm«, jammerte Britta und warf Alban einen verliebten Blick zu. »Ist eigentlich die Tatwaffe gefunden worden?«
»Nein«, grinste Katinka. »Försts Parthenon-Tempel verschlammt jetzt auf dem Grund der Regnitz.«
Sie lehnte sich zurück und genoss den Abend. Es war ein himmlisches Gefühl, ihren ersten Fall gelöst zu haben. Britta und Alban würden darüber schreiben, sie würde endgültig zu Tom ziehen. All dies verhieß ihr einen guten Sommer. Froh ließ sie den Blick über die Terrasse schweifen. Gerade legten ein paar Ruderer an und zogen ihre Kajaks aus dem Wasser. Ein Pulk Leute setzte sich an den Nebentisch. Einen von ihnen kannte Katinka: Rumolt Lennert, der sich offenbar eine Pause von seinem mittelhochdeutschen
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