Mata Hari
seit 1915 bei den Franzosen im Verdacht der Spionage stand und im Herbst 1917 in Vincennes bei Paris standrechtlich erschossen wurde. Der Titel der Memoiren ist nicht ganz genau. Der Vater der Tänzerin ist nicht ihr Verfasser, obgleich er dafür angesehen werden will. Er ist höchstens ihr Herausgeber und Glossierer. Denn er legt in einer Vornotiz ein kurzes Geständnis ab: »Die ersten Kapitel dieses Buches hat meine Tochter ganz und gar selbst geschrieben. Zur Abfassung der letzten fehlte ihr die Zeit. Sie schickte sie mir im Entwurf aus Amerika und bat mich, sie zu beenden.«
Wie dem auch sei, die authentischen Teile zeigen tatsächlich echte Aufrichtigkeit, echten Stolz und eine Frische, die insgesamt den väterlichen Ausführungen gänzlich fehlen. Ich kenne das Buch allerdings nur nach einer sehr abgekürzten, wenn auch zweifellos gewissenhaften Übersetzung; aber schon nach dieser Probe steht für mich fest, daß es bar ist der vielen feinen kleinen Züge, worin der eigentliche Reiz solcher Bekenntnisbücher besteht.
»Ich gestehe« – sagte die Verfasserin als sie an Bord des Dampfers, der sie, auf der Suche nach Reichtümern und Abenteuern, gen Newyork führt, mit der Niederschrift beginnt, – »ja, ich gestehe, ich bin nicht auf Java geboren. In Leeuwarden erblickte ich am 7. August 1876 das Licht der Welt. Mein Vater war ein in Friesland sehr bekannter Kaufmann, meine Mutter eine Dame großen Stils, ebenso schön wie reich.« Nicht ohne Rührung erinnert sie sich dann ihrer Kindheit auf dem Schlosse Cammingha-State und plaudert mit Behagen allerliebst von ihren kleinen blonden Freundinnen, unter denen eine entzückende Puppe mit Delfter Porzellanaugen und mit schwellenden Kußlippen, namens Marie Star Busman, die bevorzugte gewesen zu sein scheint. Dieses paradiesische Dasein wird durch die rohe Hand des Schicksals jäh unterbrochen: sie raubt im Jahre 1890 dem Mädchen seine »angebetete kleine Mama«. Der ehrenwerte Witwer Zelle kann nicht daran denken, selbst für eine gediegene und züchtige Erziehung seiner Tochter zu sorgen. Er übergibt sie also einem strengen Klosterleben, damit sie dort, in Erwartung des heiratsfähigen Alters, eine ihres Vermögens und ihrer gesellschaftlichen Stellung würdige Entwicklung durchmache.
Vier Jahre später, während der Ferien, begegnet die junge Dame zum ersten Male ihrem zukünftigen Gatten. Er ist kein junger Mann mehr, aber er trägt die Hauptmannsuniform mit solcher Ungezwungenheit und Eleganz, daß auf seinem Weg durch die Straßen der Residenzstadt Haag alle jungen Holländerinnen den Kopf nach ihm wenden, wenn nicht gar gleich verlieren. Für Mata, oder besser gesagt Margarethe Gertrud, war ihn sehen und lieben eins. »Besonders sein Alter«, sagte sie selbst, »machte ihn mir nur noch liebenswürdiger.« Am 30. März 1895 findet in Amsterdam die Trauung mit einer solennen Hochzeitsfeier statt. Hierauf reisen die Neuvermählten nach Wiesbaden, um dort die Flitterwochen in einer verschwiegenen Villa zu verbringen.
Aber der Sonnenschein des Glücks am Himmel dieser Ehe beginnt nur allzubald zu erblassen. Tatsächlich scheint sich alles verschworen zu haben, das arme Kind, das sein Vermögen, seine Hoffnungen und seine Schönheit der Gnade eines herzlosen Menschen ausgeliefert hat, mit Unglück zu verfolgen. Da ist zunächst eine Verwandte ihres Gatten, Tante Frida: unumschränkt herrscht sie in dem Hause, das die jungen Eheleute nach der Rückkehr aus Wiesbaden beziehen. In alles mischt sich diese Tante mit ihren Fragen, alles bekrittelt sie, schließlich wird der Zustand so unerträglich, daß Margarethe Zelle und ihr Gatte beschließen, eine Wohnung für sich allein in den neuesten Stadtvierteln von Amsterdam zu mieten. Noch einmal leuchtet das Glück, allerdings kurz wie ein Blitz, in diesem Heim auf. Der Gatte stellt seine Frau bei Hofe vor, wo die seltsame Schönheit dieser Friesin, die, unerklärlich geheimnisvoll, das Gesicht einer Hindu hat, Aufsehen erregt. Die Glut ihrer Augen wirkt wie ein Zauber und macht sie berühmt. Wer sie kannte, versichert, sie hätte dieser Frau bis ans Lebensende eine magnetische Kraft, die Menschen zu fesseln, bewahrt. Mit Freude und Stolz erinnert Mata Hari sich des Tages, wo sie die Ehre hatte, vor den Majestäten zu erscheinen, aber fast gleichgültig spricht sie von der Geburt ihres Sohnes Norman, der noch im Jahre 1895 zur Welt kommt und drei Jahre später stirbt, vergiftet von einer javanischen Magd. Kein
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