Mata Hari
hinzu, »daß ich vor ihm meines Lebens nicht mehr sicher sei, wenn wir nicht auf dem schnellsten Wege geschieden würden.« Zur selben Zeit wird auch noch ihr Töchterchen von einer grauenhaften Hautkrankheit befallen, die den ganzen Körper des Kindes mit Schwären bedeckt. Die holländische Kolonie erfährt natürlich nach und nach von den Vorgängen im Hause des Hauptmanns und verbirgt ihm keineswegs die verdiente Verachtung. Schließlich wird die Existenz dieses Haushalts in einer so beschränkten Umgebung, wo alle sich kennen, unhaltbar. Mac Leod, zur Ersatztruppe versetzt, beschließt, nach Amsterdam zurückzukehren.
Dort wird auf Antrag der Gattin der Scheidungsprozeß verhandelt. Das Jahr 1901 geht zu Ende. Merkwürdigerweise bleibt das Ehepaar in seinem gegenwärtigen Haß beieinander, ja man richtet sich sogar wieder bei der spießbürgerlichen und zänkischen Tante Frida ein. Aber das Leben des ständig betrunkenen Ehegatten ist nach wenigen Wochen ein einziger Skandal, was die beiden zwingt, eine verschwiegenere Zuflucht aufzusuchen. Man zieht also in die Van Breestraat 188. Hagelgleich, Schlag auf Schlag, folgt das Unglück. Am 26. August geht Mac Leod aus, angeblich um einen Brief zur Post zu bringen; das kranke Töchterchen nimmt er mit. Er kehrt nicht mehr zurück ... Das versetzt die Mutter in eine wahnsinnige Angst mit schlimmen Ahnungen; bald ist sie am Ende ihrer Kräfte, sie weiß nicht, wo sie ihr Kind suchen soll, und ihre Geldmittel sind erschöpft. In Hast und Eile verkauft sie ein paar Wertsachen und geht zu ihrer Tante, der Baronin Sweerts van den Landes, die in Arnheim an den Bankier Goedvriend verheiratet ist. Durch Vermittlung des Staatsanwalts Eduard Philips wird in Amsterdam der Antrag auf sofortige Scheidung eingereicht (27. Aug.). Nach dem Urteil (30. August 1902) erhält Mata Hari Vollmacht, mit ihrem Kinde bei ihrer Tante in Arnheim zu wohnen, ohne verpflichtet zu sein, den Gatten bei sich aufzunehmen. Der Gatte wird verurteilt, der Frau monatlich hundert Gulden Rente zu zahlen. Mac Leod, der alsbald ein junges Frauenzimmer zu sich in die Van Breestraat nahm, hat die Zahlung nicht ein einziges Mal geleistet.
Trotz seinem Hang zum Trinken und bei aller Heruntergekommenheit kennt jedoch Mac Leod die scheinheilige und pharisäische Gesinnung seiner Mitbürger genau. Denn an sich ist es wohl ein ziemlich starkes Stück, daß er in den Zeitungen bekannt macht, er käme unter keinen Umständen für etwaige Schulden seiner Frau auf. Sie hätte ganz aus eigenem Antrieb die eheliche Wohnung verlassen. Auf der Stelle verschließen die engherzigen Damen der Stadt der unglücklichen Margarethe ihre Türen. Und das schlimmste ist, daß ihre eigene Tante, die tugendhafte Baronin van den Landes sie bittet, ihr Haus zu verlassen. Am 10. Dezember 1902 liegt die Erbin des reichen Kaufherrn Zelle mit ihrem Kinde auf der Straße. Ihr fehlt das nötigste, ihre ganze Barschaft beträgt drei und einen halben Gulden.
Was tat während dieser Zeit der Vater des zukünftigen Sterns? Bis jetzt sehen wir ihn kein Lebenszeichen geben, auch nicht in den Fällen, wo seine Hilfe wie von der Vorsehung geschickt hätte erscheinen können. Aber plötzlich finden wir die arme Verlassene im Vaterhause im Haag wieder, und ganz fest steht ihr Entschluß, Tänzerin zu werden. Dank der Fürsorge und pekuniären Unterstützung durch ihren Vater tritt Mata Hari im Jahre 1903 in Paris zum erstenmal auf.
Ihre Ersten Triumphe
So hört also, nach dem authentischen Zeugnis der Memoiren, gegen Ende Oktober 1903, das schlimme Dasein für Margarethe Gertrud auf. Es gibt keine unglückliche Gattin des Hauptmanns Mac Leod, keine verarmte Erbin des ehrenwerten Herrn Zelle mehr, Demütigungen, Tyrannei, Prügel, alles ist fort und ausgelöscht. Empor steigt ein völlig anderes Wesen, die seltsame Erscheinung Mata Hari, dazu berufen, mit ihren exotischen Tänzen die Welt in einen Taumel des Entzückens zu versetzen, um dann dieselbe Welt durch die Tragödie ihres Todes tief zu ergreifen und durch die Rätsel ihrer Seele unausgesetzt in Atem zu halten.
Also: Margarethe Gertrud Mac Leod, geborene Zelle hört auf zu sein. Sie hat die Sphäre der Bürgerlichkeit endgültig verlassen. Jetzt gibt es nur noch Mata Hari, die Künstlerin, die Tänzerin. Ein glänzendes, üppiges Leben beginnt mit allem Drum und Dran, Aufregungen und Intrigen. Aber dieses glänzende, dieses üppige Leben erscheint in den Aufzeichnungen der
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