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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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eines schmerzlichen Seufzers, eines schluchzenden Liebesgestammels irrte umher im Dunkel, ohne daß man hätte ahnen können, woher sie kam. Warum bereitete dieser Rhythmus uns ein so tiefes Unbehagen? Dafür fanden wir keine Erklärung.
    Lautlos wie ein Phantom erscheint endlich ie Bajadere.
    Das ist die Volkstänzerin, die eingeborene Pflanze, die natürliche Frucht des Landes. Die Bronzefarbe ihrer Haut ist nicht durch Essenzen hervorgerufen und wenn die Nägel ihrer Zehen vergoldet sind, so kommt das von der Sonne, die darauffällt. Sie müssen so glänzen. Kein ausgeklügelter Einfluß verdirbt ihre naive Kunstübung. Kein Ritual wägt ihre Schritte ab. Und von dem ganzen Geschmeide, das sie schmückt, sind einzig und allein die beiden großen schwarzen Diamanten ihrer Augen nicht falsch. Was macht das aus! So wie sie ist, schlicht und göttlich, nicht um Fürsten zu ergötzen, sondern um den Rausch malabarischer Seeleute und singhalesischer Lastträger zu wiegen, so wie sie sich in dieser Nacht zeigt, umgeben von bescheidenen Blumengirlanden, unter dem phosphoreszierenden Mantel des Himmels, scheint sie die würdige Schwester der sagenhaften, geheimnisvollen Devadasis zu sein.
    Die Musik zog mich immer mehr in ihren Bann. Sie hat denselben einschläfernden und monotonen Rhythmus, mit dem die Schlangenbeschwörer ihre Tiere besprechen. Ich habe genau beobachtet, wie die Bajadere ihren Hals dreht und ihren Kopf bewegt. Es ist der Rhythmus der Schlange. Und die Wellenlinien der vollen Arme, die Aufwärtsbewegungen der Beine, die Spirallinien des ganzen Körpers, sie alle gehören der Schlange, der geweihten Schlange.
    Langsam, mehr gleitend als schreitend, kommt die schöne Tänzerin näher, bis sie mit ihren nackten Fußspitzen die Zuschauer der ersten Reihe berührt. Die goldenen Ringe um die Knöchel und die vielen anderen Spangen, die sie trägt, begleiten alle ihre Rhythmen wie mit einem leisen Murmeln. Ein dreireihiges Halsband aus bunten Steinen hört nicht auf zu zucken, ein Beweis für den dauernden Aufruhr ihres Fleisches selbst in Augenblicken scheinbarer Ruhe. Und nicht allein Arme und Beine sind in Bewegung, nicht nur Hals und Lenden, nein, der ganze Körper ist in Aufruhr.
    Selbst die Haut bekommt Leben; und eine Einheit, eine Harmonie offenbart sich so völlig, daß, wenn ein Lächeln über die Lippen huscht, dasselbe Lächeln auf Busen, Händen und Füßen triumphiert. Alles lebt, alles schwingt, alles jauchzt, alles liebt. Was die Bajadere zeigt, ist weit mehr eine Pantomime der Liebe, als ein Tanz. Ihre Gesten sind bezaubernd. Mit einem lauten Klirrenlassen ihrer Schmuckketten nähert sie sich dem Erwählten und fordert ihn auf, die Schätze an Schönheit, die sie ihm bietet, einzeln zu betrachten. Welch naive und zündende Koketterie in jeder Bewegung! »Diese Augen«, scheint sie zu sagen, »diese verträumten und traurigen Augen, diese schwellenden Lippen, diese wollustatmenden Arme, dieser ganze bebende Leib ist dein, er gehört dir, schau ihn an!« Und um sich vorteilhafter zu zeigen, kommt sie ihm ganz nahe, entfernt sich, kehrt zurück und wiederholt das Spiel viele Male ...
    Ihre Blicke wirken wie ein Liebestrank, den die Wollust kredenzt. Die Nasenflügel saugen gierig die Luft ein und diese Luft ist geschwängert mit den aufreizendsten Düften des Orients, vornehmlich mit Erregern von Verzückung und schrankenloser Sinnlichkeit. Der ständig zuckende Leib streckt sich immer mehr, um sich schließlich in bestrickenden Spiralen zu winden. Die Hände, die sich in Wellenlinien heben, scheinen unaufhörlich zu steigen. Die Musik beschleunigt ihre durchdringende, stechende, trostlose Melodie ... Und betört von dem Rhythmus, sehen wir schließlich halb verschwommen mitten im Kreise zwischen Zweigen und Blumen über der hingerissenen Menge nichts anderes als eine schöne, im Schmuck bunter Steine schillernde Schlange. Goldglänzend, wollusttrunken windet sie sich im Tanz.
    Ob das sensationelle Auftreten Mata Haris bei exklusiven Gelegenheiten ihren Pariser Bewunderern einen ebenso tiefen und geheimnisvollen Eindruck vermittelt hat, wie mir der naive Tanz der kleinen, bescheidenen Bajadere von Kandi? Ich glaube es nicht. Als treue Schülerin der Apsaras der Kanda Swany übersah die berühmte Tänzerin zunächst absichtlich die Einfachheit der Volksfeste und verlor bei ihren liturgischen Ausübungen niemals die Forderungen des schrecklichen Shiva, dieses Gottes aller Sünden, aller

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