Mathias Sandorf
ziehen, wie man aus dem Verlaufe dieser Geschichte sehen wird.
Auf eindringliches Fragen des Grafen Zathmar und Stephan Bathory’s nach diesem Gelde gelegentlich ihrer jüngsten Unterredung antwortete ihnen Mathias Sandorf, daß er beabsichtige, in aller Kürze dem Banquier Silas Toronthal einen Besuch abzustatten und diesen zu ersuchen, ihm seine Fonds in kürzester Frist zur Verfügung halten zu wollen.
Gewisse Ereignisse schienen wirklich Graf Sandorf bald veranlassen zu sollen, das erwartete Signal von Triest aus zu geben, um so eher, als man annehmen durfte, daß das Haus Zathmar’s an jenem Abende der Gegenstand einer Ueberwachung gewesen war, welche beunruhigen konnte.
Als Graf Sandorf und Stephan Bathory gegen acht Uhr fortgingen, der eine, um seine Wohnung in der Corsia Stadion, der andere, um das Hotel Delorme aufzusuchen, glaubten sie zwei Männer im Dunkel der Bäume zu bemerken, die ihnen in kurzer Entfernung folgten und so manövrirten, daß sie möglichst nicht gesehen wurden.
Mathias Sandorf und sein Begleiter wollten wissen, woran sie waren, und zögerten nicht, auf diese mit Recht verdächtig erscheinenden Personen zuzugehen; aber diese sahen sie kommen und verschwanden um die Ecke der Kirche San Antonio am Ende des großen Canals, ehe sie eingeholt worden waren.
Drittes Capitel.
Das Haus Toronthal.
Das gesellschaftliche Leben ist in Triest gleich Null. Die Verschiedenheit der Rassen und der Stände machen es, daß man sich gegenseitig wenig sieht. Die österreichischen Beamten möchten je nach der Stellung, die sie im amtlichen Leben bekleiden, die erste Rolle spielen. Es sind dies durchschnittlich achtbare, wohlunterrichtete, wohlwollende Leute, aber ihr Gehalt ist ein knapper und ihrer Stellung nicht entsprechend; sie können daher mit den Kaufleuten und Finanzmännern nicht wetteifern. Da man in den reichen Familien nur selten empfängt und die officiellen Vereinigungen fast stets verunglücken, so haben sich die ersteren genöthigt gesehen, den äußeren Luxus zu pflegen, in den Straßen der Stadt in Gestalt von prächtigen Equipagen, im Theater durch kostbare Toiletten und verschwenderischen Aufwand von Brillanten, den ihre Frauen in den Logen des Teatro Communale oder der Armonia zur Schau tragen.
Zu diesen wohlhabenden Familien gehörte zu jener Zeit auch die des Banquiers Silas Toronthal.
Der Chef dieses Hauses, dessen Ansehen sich über Oesterreich-Ungarn hinaus erstreckte, war damals siebenunddreißig Jahre alt. Er bewohnte mit seiner noch um einige Jahre jüngeren Gattin ein Palais in der Allee des Acquedotto.
Silas Toronthal galt für sehr reich und er mußte es sein. Kühne und glückliche Speculationen an der Börse, eine rege Geschäftsverbindung mit dem österreichischen Lloyd und anderen großen Häusern, wichtige Anleihen, deren Emissionen ihm anvertraut waren, mußten viel Geld in seinen Kassen zurückgelassen haben. Hieraus entstammte auch die Großartigkeit des Hausstandes, die viel von sich reden machte.
Trotzdem war es möglich, wie wir es schon Sarcany zu Zirone sagen hörten, daß die Geschäfte von Silas Toronthal dazumal ein wenig verwickelt lagen – wenigstens für den Augenblick. Es mochte das daher rühren, daß er vor sieben Jahren den Rückschlag auszuhalten gehabt hatte, den die Unruhen des französisch-italienischen Krieges der Bank und der Börse beibrachten, dann in neuerer Zeit hatte ihn der Niedergang der öffentlichen Fonds auf den ersten Bankplätzen, besonders auf denen Oesterreich-Ungarns, Wien, Budapest, Triest, eine Folge des Feldzuges, dem Sadowa ein Ende machte, ernsthafte Prüfungen durchmachen lassen. Zweifellos hatte auch die Verpflichtung, die bei ihm in baaren Geldern hinterlegten Summen zurückzahlen zu müssen, ihm bedenkliche Verlegenheiten bereitet. Aber eben so gewiß war, daß er sich von dieser Krisis wieder erholt hatte, und wenn es wahr war, was Sarcany sagte, so mußte er sich in neue gefährliche Speculationen eingelassen haben, welche die Solidität seines Hauses aufs Spiel setzten.
Und in der That hatte sich Silas Toronthal seit wenigen Monaten, wenigstens nach der moralischen Seite hin, wesentlich geändert. So sehr er sich auch zu beherrschen verstand, sein Aussehen war trotzdem ohne sein Wissen ein anderes geworden. Er war nicht mehr, wie einst, Herr über sich selbst. Beobachter hätten bemerken können, daß er den Leuten nicht mehr ins Gesicht zu sehen wagte, so wie es einst bei ihm Gewohnheit gewesen war, sondern
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