Mathilda, Mathilda! - Drei wie Wind und Wirbel (German Edition)
einem Vorort von Köln gefahren ist. Wir haben zwar eine Stunde gebraucht, um in den Laden hineinzukommen, aber es hat sich gelohnt. Jede von uns hat eine Hollister-Tüte bekommen. Darum hat uns die halbe Klasse beneidet!
Ich will auch nicht weg aus Köln, weil ich seit ewigen Zeiten hier in der Musikschule Gitarre spiele. Außerdem wollten Hannah und ich zusammen in einen Jazzdance-Kurs gehen … Und das alles soll ich jetzt abhaken, um mit meiner Mutter und Friederike aufs Land zu ziehen? Nach Krähwinkel, wo es garantiert nichts davon gibt?
Das Einzige, das mir nicht fehlen wird, sind die Ergebnisse, die Friederike aus ihrem Töpfern-mit-allen-Sinnen-Kurs nach Hause schleppt. Auf unserem Küchenregal stehen mehrere Schüsseln, die wie Elefantenköttel aussehen – und glaub mir, ich weiß genau, wie Elefantenköttel aussehen. Wir hatten lange eine Jahreskarte für den Kölner Zoo, früher, als meine Schwester und ich noch klein waren. Zum letzten Muttertag hat Mama von Friederike ein schreiendes Herz bekommen und zu Weihnachten einen Stern, der wie eine Speerspitze aussieht. Wenn das so weitergeht, stehen bald in jedem Raum getöpferte Scheußlichkeiten. Aber das wäre mir tausendmal lieber, als mitten aufs platte Land zu ziehen. (Na ja, platt stimmt nicht so wirklich. In Krähwinkel ist es ganz hügelig.)
Hilfe, jetzt wird’s ernst! Unten, vor unserer Haustür, hält ein extralanger Umzugswagen. Das habe nicht nur ich bemerkt. »Jetzt geht’s los, Beatrix«, »Auf in euer neues Leben!«, kreischen im Flur Mamas drei beste Freundinnen durcheinander. Das sind meine Patentante Anouk, Moni und Theresa. Die drei helfen uns beim Umzug. Aber ich glaube, mir kann niemand helfen. Ich will hier nicht weg. Auch unser Kater Kralle will hierbleiben. Er sitzt wie ein graues Häufchen Elend und kläglich maunzend in seiner Transportbox. So als wollte er rufen: »Mathilda, Mathilda, wie soll das auf dem Land nur werden?«
Jenseits der Zivilisation
K rähwinkel ist genau 36 Minuten von unserer alten Wohnung in Köln entfernt – und das sind genau 36 Minuten zu viel. Wenn du von der Autobahn kommst, geht es mehrere kleine Berge hinauf und wieder hinunter. Links und rechts von der Landstraße sieht man lauter Baumreihen mit Apfelbäumchen, die alle so klein sind, dass man bestimmt im Stehen Äpfel pflücken kann. Irgendwann kommt dann ein gelbes Ortsschild. ›Krähwinkel‹ steht darauf. Für mich hätten sie auch ruhig ›Verschollen für immer‹ draufschreiben können. Das hätte es doch ganz genau getroffen.
»Gleich sind wir da!«, rief Mama betont munter. Ich sagte nichts, keinen einzigen Mucks. Auch Friederike und Kralle waren still. Theresa drehte sich vom Beifahrersitz aus zu uns um: »Ihr beiden könnt es bestimmt kaum noch abwarten, oder? Eigene Zimmer und so ein großer Garten.«
Ich sagte immer noch nichts. Friederike saß stumm auf ihrem Platz. In der Mitte der Rückbank lehnte sich Anouk vor. Meine Patentante sagte mit ihrem weichen französischen Akzent, den ich so gerne höre: »Dies alles ist eine große Veränderung und die braucht ein bisschen Zeit. Wie gut, dass ihr noch drei Wochen Ferien habt, n’est-ce pas?« Anouk lächelte mich an. Das mag ich so an ihr. Obwohl sie erwachsen ist, hat sie nicht vergessen, wie schwer es ist, zwölf Jahre alt zu sein.
Ich schluckte. Mama bog von der Landstraße ab. Nun fuhren wir über die einzige Straße von Krähwinkel, dann hielt Mama vor unserem Haus an. Hinter uns parkte Moni. Ihr roter VW-Käfer sah aus wie ein fahrender Blumenladen. Grün und Blätter, wohin man sah. Die große Palme, die in unserem alten Badezimmer stand, ragte oben aus dem Sonnenverdeck heraus.
Mama, Theresa und Moni sprangen gleich aus den Autos. Anouk saß fest, zwischen Friederike und mir. Ich blickte durch das Seitenfenster auf das Haus, das noch nicht wirklich unser Haus ist. Es sieht irgendwie verwunschen aus. Das Dach ist geschwungen, der Giebel ist über und über mit Efeu bewachsen. Im Vorgarten wuchern wilde Rosen. Trotzdem wäre ich am liebsten nicht ausgestiegen. Schließlich öffnete ich die Tür und – Mist –, mein rechter Fuß stand in einer schlammigen Pfütze. Der linke war mit Schlamm bespritzt. »Mama, sieh dir das an! Wie sehen jetzt nur meine schönen neuen Ballerinas aus?«, schrie ich empört. Ein schrecklicher Gedanke ging mir durch den Kopf. Ob diese blöde Charlene mit den Gummistiefeln auf dem Land etwa recht haben sollte? Mir wurde eiskalt. Und das lag
Weitere Kostenlose Bücher