Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
den Weg. Ruf mal bei Ülcan an.«
Matti ging in sein Zimmer, nahm das Handy vom Nachttisch und wählte Ülcans Nummer. »Ich bin krank«, sagte Matti mit gepresster Stimme, als sein Chef abgenommen hatte. »Über Nacht, solche Hautausschläge, Fieber« – die Stimme wurde kläglich.
Ülcan glaubte kein Wort, er hätte noch den Sargdeckel geöffnet, um nachzuschauen, ob sein Fahrer wirklich darin lag, wenn Matti das eigene Ableben gemeldet hätte, und Ülcan hätte auch noch gewartet, bis der Sarg wirklich unter der Erde lag, um dann Allah und den Propheten zu fragen, warum ihm das Schicksal abverlange, nach einem neuen Fahrer suchen zu müssen, wo doch der alte zwar ein Betrüger gewesen sei, aber immerhin berechenbar. Ülcan hasste es wie einen Bombenanschlag auf Mekka, sich an neue Leute gewöhnen zu müssen. Wütend knallte er den Hörer aufs Telefon.
Matti grinste umso mehr, als er daran dachte, wie der Typ im Verfolger-Audi nun umsonst wartete. Aber sie mussten los, die Spitzel standen früh auf. Ein Grund mehr, sie nicht zu mögen.
6: Who are you?
Ü ber der Stadt lag Dunst, die Luft war feucht und kalt, und sie klebte einem eine Weichzeichnerlinse vor die Augen. Der Beton der Straße, des Parkplatzes, der Gebäude färbte sich dunkelgrau, und wäre Matti allein gewesen und depressiv und vielleicht auch noch betrunken, dann wäre dies der richtige Ort gewesen, sich eine Kugel in den Kopf zu schießen. Aber Matti war nicht mies drauf, er war angespannt, und manchmal schweiften seine Gedanken zu Lily, auch um gleich alle Fragen zu verscheuchen, die sich ihm aufdrängten. Es war so, wie es war, es dauerte so lange, wie es dauerte, und warum es so war, wie es war, bloß nicht fragen, es könnte alles ändern. Denn dass diese alte neue Beziehung auf ganz eigene Weise fragil war, das hatte er vom ersten Tag an gespürt. Nur wusste er nicht, wo die Bruchstellen lagen, also besser nicht daran rühren.
Die Zoohandlung hatte noch nicht geöffnet, es war Viertel vor sieben. Sie warteten in einem weißen Golf IV , der noch passabel aussah, Matti saß auf der Rückbank und beobachtete das Detekteigebäude durchs Fernglas, wobei er Dornröschen auf dem Beifahrersitz als Abschirmung nutzte. Sie roch gut, das hatte er vorher nie richtig gemerkt, überhaupt fand er Dornröschen seit einigen Tagen erstaunlich attraktiv, was sie bis dahin geschickt verborgen hatte hinter ihrem Schleier aus ewigem Gähnen, absurden Frisuren und tülligen Klamotten. Heute trug sie eine Jeans, ein weißes T-Shirt und eine blaue Kapuzenjacke, die Haare waren glatt, und sie hatte sich kaum geschminkt. Sie wollte nicht auffallen durch Exotik, aber Matti fiel sie jetzt erst recht auf. Sie war äußerlich wie verwandelt. Oder Matti hatte nie so genau hingeschaut.
Eine Weile tat sich nichts. Offenbar war der Audi-Verfolger als Erster zur Arbeit gekommen, hatte sich das Auto besorgt und wartete in der Manitiusstraße auf sein Opfer. Jedenfalls zeigte das der GPS -Empfänger an. Ülcan hatte gewiss längst einen Aushilfsfahrer angerufen, und wenn der Audi-Fritze dumm genug war, würde er sich auf den Peilsender verlassen und nicht genau hingucken, wer im Taxi saß.
Sie warteten und sagten nicht viel. Das Licht wurde weiß, als die Sonne den Dunst durchdrang. Um acht Uhr wurde endlich die vergitterte Tür der Zoohandlung aufgesperrt. Twiggy stieg aus und verschwand im Laden. Ein grauer Xantia-Kombi rollte auf den Parkplatz und stellte sich ein paar Buchten weiter hin. Darin eine dickliche mittelalte Frau mit Kopftuch. Sie stieg aus, öffnete die Heckklappe und holte einen Pappkarton heraus, schlug die Klappe zu, ließ die Blinker aufleuchten, als sie die Fernbedienung benutzte, um den Wagen zu schließen, und trug die Kiste zu der Einkaufswagenreihe neben dem Eingang. Sie löste mit einer Münze einen Wagen aus und stellte die Kiste hinein, als sie plötzlich stillstand, ein Handy in der Hand hatte und telefonierte.
Matti beobachtete sie eine Weile aus Langeweile, bis ihn Dornröschen anzischte. »Da!«
Ein schwarzer Mercedes der S-Klasse rollte die Straße entlang und fuhr auf den Parkplatz vor dem Detekteigebäude. Matti holte die Kamera aus dem Pilotenkoffer, fixierte den Wagen und drückte den Auslöser. Das Kennzeichen war B-CA 7078 . Der Benz hielt, die rechte hintere Tür öffnete sich, ein groß gewachsener schlanker Mann in einem dunklen Mantel und mit eckiger Brille stieg aus. Er hatte einen Bürstenschnitt. Matti schaltete auf den
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