Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt

Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt

Titel: Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
sich an ihrem Schreibtisch neben sie und schaute zu, was sie tat. Sie gab die Internetadresse in ihr Notebook ein. Es öffnete sich eine handgestrickte Seite, rechts oben das Porträt des Inhabers, der auch als Klischee eines Wurstverkäufers hätte herhalten können. Er pries die Qualität seines Service, seines Personals, die Pünktlichkeit und Sauberkeit und die Entschlossenheit, auch Kundensonderwünsche zu erfüllen. Dornröschen begriff sofort, dass es eine Dummheit wäre, einen anderen Reinigungsdienst zu beauftragen, Wittmann war die beste Putztruppe im Universum. Sie las das Impressum, der Laden saß in Lichtenberg, und der Wurstverkäufer hieß mit Vornamen Hans. Sie schlug den Namen in der Stasi-Datei nach und fand gleich fünf, die so hießen. Das sagte alles oder nichts.
    Sie wählte die Telefonnummer. Der Anrufbeantworter, natürlich.
    »Morgen«, sagte Twiggy. »Jetzt geh schlafen.«
    Am Morgen tauchte Matti auf, er sah übernächtigt aus und hatte am Hals blaurote Flecken. Dornröschen wählte wieder die Nummer und stellte den Lautsprecher an.
    »Reinigungsservice Wittmann!«, krähte es.
    »Ja, hier Frau Winter. Ich suche eine Putzstelle.«
    Ein elektronischer Ton, dann: »Wittmann.« Ein tiefe Stimme, ruhig.
    »Frau Winter, guten Tag … Morgen. Ich suche eine … Putzstelle.«
    »Wir haben im Augenblick nichts frei … vielleicht könnten Sie mal als Krankheitsvertretung einspringen. Dann lernen wir Sie auch mal kennen. Wissen Sie, wir legen großen Wert auf die Zuverlässigkeit, Sie wissen, was ich meine, also die Zuverlässigkeit unserer Reinigungskräfte.«
    Und Dornröschen dachte gleich an ihr polizeiliches Führungszeugnis, das unter Herrn Wittmanns Augen niemals hätte bestehen können. »Ich bin sehr zuverlässig«, sagte sie.
    »Ja, ja«, beruhigte Wittmann sie. »Daran habe ich keinen Zweifel. Wenn Sie wirklich interessiert sind, wissen Sie, es geht um eine Vertretung, da muss man mal bereit sein, da kann man mal kurzfristig angerufen werden …«
    »Ich bin immer bereit«, sagte Dornröschen eingeschüchtert. »Ich brauch nur so dringend eine Stelle.«
    »Gut, das weiß ich jetzt mal«, sagte die Großzügigkeit in Person. »Wenn Sie vielleicht mal bei uns vorbeikommen können. Wissen Sie, dann …«
    »Wann immer Sie wollen«, und ihre Stimme klang so froh.
    »Heute, sechzehn Uhr?«
    »Ich werde kommen, pünktlich. Vielen Dank!«
    Matti grinste, als Dornröschen aufgelegt hatte. »Warum kannst du nicht zu uns so freundlich sein? Es geht doch, wie man sieht.«
    »Wissen Sie? Wissen Sie?«, äffte Dornröschen Wittmann nach. »Was der immer mit dem Wissen hat.«
    »Du brauchst jetzt eine neue Biografie«, sagte Matti. »Und die übst du mit Twiggy bis zum Nachmittag. Ich muss los, Ülcan ist immer noch sauer.«
    »Tschüss« sagte Dornröschen, »in unseren Kreisen, also beim Geheimdienst, nennt man das nicht ›neue Biografie‹, sondern ›Legende‹. Damit das klar ist.«
    Matti winkte grinsend ab und verschwand.
    Dornröschen suchte sich Klamotten zusammen, die sie auftreten ließen wie jemand, der auf ungeschickte Weise versuchte, schick auszusehen. Einen geblümten Rock, eine schneeweiße Bluse, einen blauen Blazer. Ihre neue Biografie war so einfach, dass sie glaubwürdig klang. Viel zu früh geheiratet, keine Berufsausbildung, Scheidung, Hartz IV , Gott sei Dank keine Kinder – »die hätten mir gerade noch gefehlt«. Erstaunlicherweise konnte sie ihr intelligentes Gesicht »verdumpfen«, wie Twiggy sagte, und sie sah dann aus, als könnte sie nicht bis drei zählen. Die Daten in ihrem Personalausweis blieben natürlich gültig. Auch wenn sie sich gut vorbereitet fühlte, hatte sie doch Angst. Natürlich war sie zu früh in der Siegfriedstraße 12, einem fünfstöckigen Haus mit einer grauen Rauputzfassade, in dessen Erdgeschoss das Büro des Reinigungsservice Wittmann lag, wie die Klingel verriet. Sie drückte, und schon schnarrte das Schloss. Sie öffnete die Tür, ging in den Flur, rechts hingen erstaunlich unversehrte Briefkästen. Dann stand sie schon vor der Tür mit dem Firmenschild, blaue Schrift auf weißem Hintergrund. Sie klingelte.
    »Ist offen!« Eine Frauenstimme, quäkig. Dornröschen zog die Tür auf. Ein kurzer schmaler Flur, dann stand sie in einem Büro aus den Sechzigerjahren, ausgenommen der Röhrenmonitor auf dem Schreibtisch. Die Frau war klein, dick und hatte ihre schwarzen Haare zu einem Dutt geflochten. Sie trug einen rosa Plastikpulli. Es stank nach

Weitere Kostenlose Bücher