Matti & Dornröschen 02 - Tod in Kreuzberg
was dann? Dann rennen wir ihm nach, ohne dass es irgendwas bringt.«
Der Vollmond hing im Himmel, dessen Schwarz die Stadt ergrauen ließ. Er überstrahlte das Neonlicht des Einkaufszentrums, das den Parkplatz in ein Dämmerweiß tauchte. Gelb leuchteten die Taxischilder von Mattis Kollegen, die auf Kunden warteten. Der Verkehr war abgeflaut, die Scheinwerfer malten Licht und warfen Schatten. Das Verkehrsrauschen wurde mitunter übertönt durch Zweitakterknattern und das Dröhnen von Dieselmotoren. Gerade brummte ein Containerlaster vorbei und zeigte gleich nur noch die Rücklichter. Das Licht über der Haustür war ausgegangen, sie wurde jetzt matt beschienen von der Straßenlaterne. Die drei Fenster der Wohnung, in der die Göktans lebten, leuchteten, als wollten sie zeigen, dass weder Vater noch Sohn durch die Nacht zogen, um Schutzgelder zu erpressen oder Menschen umzubringen.
Sie saßen nebeneinander auf der Bullibank und waren ratlos. Dass Ali sie zu der Mörderbande führen würde, war unwahrscheinlich, sofern es die überhaupt gab. Dass sie etwas herausfänden, wenn Ali beide Morde begangen hatte, indem sie ihn verfolgten, war Blödsinn. Matti begriff, dass sie im Begriff waren, ihre Zeit zu verplempern, weil sie sich nicht eingestanden, dass sie feststeckten.
»Das ist doch alles Quatsch«, sagte er.
Die beiden anderen schwiegen.
»Dass wir glauben, Ali würde uns zum Heiligen Gral führen, zeigt nur, dass uns nichts mehr einfällt.«
»Willst du aufgeben?«, fragte Twiggy.
»Nein, aber das heißt nicht, dass wir ohne Sinn und Verstand durch die Gegend eiern.«
»Matti hat recht. Das ist eine Schnapsidee. Das einzige Ergebnis wird sein, dass Ali es merkt und es richtig ernst wird. Noch glaubt er wohl, wir hätten aufgegeben«, sagte Dornröschen.
»Es sei denn, der nette Lehrer ruft seinen Exzögling an und fragt, was er mit der IHK am Hut hat«, sagte Twiggy.
»Das macht er eher nicht«, widersprach Matti. »Der war nämlich froh, den Lausebengel von der Backe zu haben.«
»Lass uns heimfahren«, sagte Dornröschen.
Es klopfte am Fenster der Fahrertür. Ali guckte herein, er beleuchtete sein Gesicht mit einer Taschenlampe und sah lächerlich und gefährlich zugleich aus. »Wollt ihr mich was fragen?«
Die Laderaumtür wurde geöffnet, und an der Beifahrertür zeigte sich noch ein Gesicht, ein junger Türke, der sich ebenfalls mit einer Lampe anstrahlte. Hinten war jemand eingestiegen. »Guten Tag«, sagte er. Und dann: »Ich habe eine Knarre in der Hand, und ich bin nervös.« Er sprach ausgezeichnet Deutsch. »Meine Freunde steigen jetzt auch ein, und sie haben ebenfalls Knarren, und sie sind noch nervöser.«
Der Wagen wankte, als die beiden Gesichter von den Fenstern verschwanden und einstiegen. Die Laderaumtür wurde geschlossen.
»Ich glaube, es gibt eine Art Interessenübereinstimmung zwischen uns, jedenfalls wollt ihr euch mit mir unterhalten«, sagte Ali. »Und inzwischen habe ich auch Lust darauf. Hier finde ich es allerdings ungemütlich. Wir machen eine kleine, wie sagt man, Spritztour, einverstanden?« Als niemand antwortete: »Vorher würde ich mir gern eure Handys ausleihen, ihr kriegt sie wieder. Und wenn wir sie euch ins Grab nachwerfen.« Er lachte leise.
Matti spürte einen harten Druck im Genick und reichte sein Handy nach hinten. Die beiden anderen taten es ihm nach.
»Na, dann wollen wir mal los«, sagte Ali fast fröhlich. »Wenn du vielleicht den Motor starten könntest.«
Twiggy drehte den Schlüssel, und mit einem Spotzen sprang der Boxer an. »Wohin?«, fragte er mit belegter Stimme.
»Wir fahren auf die 111, Richtung Berliner Ring. Wenn du es genau wissen willst, nach Oranienburg … nicht ganz nach Oranienburg, aber so grob kommt es hin.«
Twiggy nickte und fuhr los.
Matti beunruhigte vor allem die Lässigkeit, mit der Ali und Konsorten auftraten. Sie schienen nicht aufgeregt und hatten einen Plan. Sie wussten genau, was sie taten. Kalter Schweiß nässte den Rücken. Er fror und schwitzte. Matti versuchte sich zu konzentrieren. Auf keinen Fall durfte er in Panik geraten. Es gab immer eine Chance. Was hatten die vor? Die Panik näherte sich. Sie hatten Lara umgebracht, sie hatten Rosi auf dem Gewissen. So jung, wie Ali war, er war ein Doppelmörder, vielleicht noch schlimmer. Es schien ihn nicht zu beeindrucken, dass er Menschen umgebracht hatte. Was hatten sie von einem Mörder zu erwarten, dem sie auf die Schliche gekommen waren?
»Was hast du vor?«,
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