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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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sagte sie, und ihre Augen lächelten hinter den Zwickergläsern.
    – Die Aufsichtskommission, die hätte sich Studer doch ansehen müssen. Ein Pfarrer sei dabei, dessen Gesicht eigentlich nur aus einem Mund bestünde, einem ungeheuren Mund, so daß er aussehe wie ein roter Frosch. Er vertrete manchmal am Sonntag den Anstaltspfarrer, und einen Übernamen habe er auch. Pfarrer Veronal werde er genannt, nach einem bekannten Schlafmittel, weil immer dreiviertel seiner Zuhörer bei seinen Predigten einschliefen. Der kleine Gilgen habe sogar einmal gemeint, man könne vielleicht den Herrn Pfarrer versuchsweise bei den Schlafkuren gebrauchen; da man ja an allem spare, so könne man die teuren Medikamente durch Predigten ersetzen… Die kämen billiger… Dann gehöre zur Kommission ein ehemaliger Lehrer, der die Schutzaufsicht führe über entlassene Sträflinge und entlassene Patienten, und der wahrscheinlich nur deshalb so schwerhörig sei, weil aus seinen Ohren lange Haarbüschel wüchsen… Auch die Frau eines Nationalrates sei dabei, eine freundliche, gescheite Dame, die immer die andern in Verlegenheit brächte, weil sie nach jedem Rundgang durch die Anstalt frage: wozu eigentlich eine Aufsichtskommission gewählt worden sei? Damit die Herren ein Taggeld einstreichen könnten? Es ginge ja alles wunderbar ohne die Kommission… Dann stelle sich der Fürsorgebeamte extra schwerhörig und frage zwei- oder dreimal: ›Wie me-inet I-i-hr?‹…
    Die Klingel des Tischtelephons schrillte.
    – Ach, Herr Studer solle doch antworten, sie sei so faul, sagte Frau Laduner. Und Studer stand auf, nahm den Hörer von der Gabel und fragte gemütlich: »Ja?«
    Die Stimme des Portiers Dreyer… – Wer am Apparat sei?
    »Studer!«
    – Der Wachtmeister solle sofort kommen, es sei in der Verwaltung eingebrochen worden…
    »Was?« fragte Studer erstaunt. »Am heiter hellen Tage?«
    »Ja«, und der Wachtmeister solle gleitig achecho. Es pressiere…
    »Wird nid sy…« sagte Studer gemütlich, legte den Hörer sanft auf die Gabel und meinte zu Frau Laduner, er müsse schnell ins Parterre, der Portier wolle gern etwas wissen… Es sei ein Donners Gstürm… Und ging mit langsamen Schritten zur Tür hinaus, verfolgt von Frau Laduners mißtrauischen Blicken…
    Er schloß die Gangtüre hinter sich und sprang die Treppen hinab. Er nahm drei Stufen auf einmal und langte ein wenig atemlos im Parterre an.
    Der Portier Dreyer, aufgeregt und bleich – noch immer war seine linke Hand verbunden –, empfing ihn am Fuße der Treppe, packte ihn am Arm…
    Im Gange rechts, der zu den Frauenabteilungen führte, stand eine Türe offen. Dreyer schob den Wachtmeister in den Raum. Ein ältliches Fräulein mit zerrauften Haaren lief rund um den Doppelschreibtisch, lief immer im Kreise und gemahnte Studer an eine Katze, der man Baldriantropfen auf die Nase gespritzt hat.
    »Hier!« sagte der Portier.
    Im anstoßenden kleineren Zimmer (es war offenbar das Privatbüro vom Herrn Verwalter) stand der Kassenschrank offen. Akten lagen darin. Studer trat näher…
    Das ältliche Fräulein hatte seinen Rundlauf unterbrochen, es trat herzu und begann zu klagen.
    Mein Gott! Wie schrecklich das sei, der Herr Verwalter sei zur Beerdigung gegangen, und nun müsse in seiner Abwesenheit so etwas passieren… Kaum fünf Minuten sei das Büro leer gewesen, sie sei nur schnell einmal hinausgegangen, die Hände waschen…
    Sie unterbrach sich, hob ihre Augen gen Himmel, faltete die Hände, löste sie wieder… – Sechstausend Franken!… Sechstausend Franken!
    – Drei Päckli zu je zwanzig Noten! Einfach verschwunden!… Innerhalb fünf Minuten!… Und der Herr Verwalter! Was werde der Herr Verwalter sagen!
    Sie ging ins Nebenzimmer zurück, begann ihren Kreislauf von neuem, und dazu murmelte sie…
    Der Portier Dreyer erklärte mit leiser Stimme, der Tod des Herrn Direktor habe das Fräulein Hänni so hergenommen, weil es doch gewissermaßen die Schwägerin sei… Die Schwester der zweiten Frau…
    »Fräulein Hänni!« rief Studer. »War der Kassenschrank versperrt?«
    »Äbe nid!« Der Herr Verwalter sei so pressiert gewesen, er habe viel Arbeit gehabt, Vierteljahresabrechnung, und erst im letzten Augenblick habe er in seine Wohnung hinaufgehen können, um sich anders anzulegen… Und da habe er vergessen, den Kassenschrank zu schließen.
    Aus den Augen des Fräulein Hänni stürzten die Tränen… Studer zuckte mit den Achseln… Eine alte Jungfer, leicht erregbar…

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