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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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das Gefühl auf?
    Studer fragte nicht, sondern starrte auf den körnigen Kies, den die Sonne beschien.
    Und doch hätte Studer vieles fragen wollen: ›Was machten Sie im Gang des R in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag? Was wissen Sie vom Verbleib des Demonstrationsobjektes Pieterlen, und wo haben Sie den Herbert Caplaun versteckt?‹
    Aber der Wachtmeister schwieg. Er kam sich vor wie ein Bankdirektor, der, schweren Herzens und nur aus Mitleid, einem guten Freunde einen hohen Kredit gewährt hat und nun schlaflose Nächte verbringt, weil er nicht weiß, ob der Freund solvent ist oder doch vielleicht nächstens den Konkurs ansagen wird….

Einbruch
    Später dachte Studer oft, nichts sei verwirrender, als wenn man an einem Fall persönlichen Anteil nehme. Hätte er, während der Unterredung mit dem Obersten Caplaun, nicht immer an den Entschluß gedacht, den er würde fassen müssen, so wäre ihm ein Satz aufgefallen: der Oberst hatte ihn nebenbei ausgesprochen, aber er gab so deutlich den Schlüssel des ganzen Geschehens, daß man wahrhaftig blind sein mußte, um diesen Passepartout nicht zu gebrauchen…
    So verbrachte Studer eine schlaflose Nacht, weil er beschlossen hatte, sich Zeit zu lassen; aber seine Gedanken ließen ihm keine Ruhe… Gedanken!… Es waren eher Bilder, die abrollten, verworren und ohne rechten Zusammenhang, und sie ähnelten einem jener modernen französischen Filme. Am quälendsten aber war die Handharpfe, die spielte…
    Sie begann gedämpft gegen elf Uhr, und es ließ sich nicht feststellen, woher die Töne kamen. Bald spielte sie ganz leise und fast ohne Begleitung der Bässe: »Im Rosengarten von Sanssouci…«, einen alten Tango, und dann: »Irgendwo auf der Welt gibt's ein kleines bißchen Glück, irgendwo, irgendwie, irgendwann…«, ein schluchzendes Stück…
    Manchmal war Studer überzeugt, der unsichtbare Musikant müsse gerade über seinem Zimmer spielen, er wollte aufstehen und nachsehen, aber dann blieb er doch liegen… Immer wieder schien es ihm, daß in dem vorliegenden Fall mit den gewohnten kriminalistischen Methoden nichts auszurichten sei, daß man stillhalten und auf den Zufall passen müsse…
    So lauschte Studer dem geheimnisvollen Handharpfenspiel (er war übermüdet: die schlaflose Nacht und die vielen fremdartigen Eindrücke) – und es war nicht zu vermeiden, daß ihm schließlich doch wieder Pieterlen einfiel, der an der Sichlete zum Tanz aufgespielt hatte und nachher verschwunden war mitsamt seinem Instrument.
    Und noch etwas plagte Studer in dieser Nacht. Er hatte am Nachmittag Pfleger Gilgen aufsuchen wollen, aber der hatte Ausgang gehabt.
    Endlich brach der Morgen an, ein früher Herbstmorgen mit Regenrieseln, grauem Nebel und feuchter Kälte. Studer konnte sich nicht entschließen, Dr. Laduners Wohnung zu verlassen. Es war der für das Begräbnis des alten Direktors festgesetzte Tag, im Mittelbau war Hochbetrieb, wenn man dies so nennen durfte, und als einmal Studer den Versuch machte, das Stiegenhaus zu betreten und die Stufen hinunterzusteigen, machte er auf dem Absatz über dem ersten Stock halt. Damen in schwarzen Schleiern standen in der offenen Tür jener Wohnung, in der ein alter Mann zusammen mit der Einsamkeit gehaust hatte, Herren in schwarzen Gehröcken gingen hin und wieder, es roch nach Blumenkränzen – Studer trat den Rückzug an. Frau Laduner hatte verweinte Augen, als er ihr im Gang begegnete – ging ihr der Tod des alten Direktors so zu Herzen? Studer wagte nicht, zu fragen… Er hockte in seinem Zimmer, sah über den grauen Hof und verwünschte auf einmal seine Starrköpfigkeit, die ihn daran gehindert hatte, das Angebot des Herrn Obersten anzunehmen…
    Auch am Nachmittag im Arbeitszimmer wagte er die Frau nicht zu fragen, weswegen sie am Morgen geweint habe. Dr. Laduner war zur Beerdigung gegangen, es war etwa ein Viertel vor drei; vor zehn Minuten etwa hatte sich der Trauerzug vor dem Eingangsportal versammelt. Viele Autos waren vorgefahren.
    Dann war der Leichenzug davongefahren, die Leidtragenden hatten sich versammelt, es war eine lange, schwarze Schlange, und sie kroch dahin unter einem Wolkenhimmel, der blendete wie weißflüssiges Eisen. Hinter den dunklen Fußgängern krabbelten die Autos wie riesige, erschöpfte Käfer.
    Frau Laduner hatte einen großen Korb voll Flickwäsche vor sich stehen und war gerade daran, ein Loch in der Ferse eines Männersockens zu stopfen… »Die Aufsichtskommission ist auch gekommen«,

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