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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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gesehen, wie ich jemanden verfolgte. Caplaun offenbar… Eigentlich hätte Ihr Verdacht auf mich fallen sollen, nachdem der Nachtwächter Ihnen dies mitgeteilt hatte… Sie haben nichts davon wissen wollen… Gut.
    Als zweiter käme Jutzeler in Betracht… Er hat sich mit dem Direktor gestritten – wegen des kleinen Gilgen. Jutzeler hätte das entscheidende Wort sprechen können, um den Direktor in die Heizung zu locken. Aber er scheidet aus, weil…«
    Dr. Laduner machte eine Kunstpause, zündete langsam eine Zigarette an…
    »Weil ich nach der nutzlos verlaufenen Verfolgung meines Sorgenkindes Caplaun im Gang vom Sous-sol einen Mann getroffen habe, der damit beschäftigt war, die Türe der Heizung zu verschließen… Wissen Sie wen?«
    Studer nickte. Plötzlich war alles klar. Er schämte sich. Er hatte gar nichts verstanden…
    »Den Portier Dreyer«, sagte Laduner leise. »Ich bin sicher, daß der Portier den Direktor überredet hat, sich mit Herbert zu treffen – was für Argumente er gebraucht hat, können wir nur erraten. Kurzum, ich wußte nicht, was in der Heizung passiert war, darum ließ ich den Mann gehen. Ich folgte ihm leise. Er hat mich nicht gesehen. Als dann die Kunde ging, der Direktor sei verschwunden, das Büro sehe aus, als habe ein Kampf in ihm stattgefunden, dachte ich nach, was am besten zu tun sei. Ich wußte, Caplaun war bei der Sache irgendwie beteiligt… Da fiel mir ein Mann ein, den ich von früher her kannte, von dem ich wußte, daß er psychologischen Rätseln Interesse entgegenbrachte, und ich sagte mir: ›Ich will mir den Mann holen, dann kann ich beruhigt meinen Patienten weiterbehandeln; er ist ein wertvoller Mensch, der Herbert Caplaun, die Gelegenheit, den Protest bei ihm zum Abflauen zu bringen, war nie so günstig, wird nie mehr so günstig sein… Sollte es Komplikationen geben, dann habe ich ja einen gewissen Fahnderwachtmeister bei der Hand, der mir helfen wird…
    Caplaun hat Sie von Anfang bis zu Ende angelogen, Wachtmeister. Sein Geständnis war falsch, seine Behauptung, er habe in der Analyse nichts gesagt, war Schwindel. Sie wissen nicht, welch furchtbares Druckmittel das Schweigen sein kann – mein Schweigen, zum Beispiel, wenn ich zu Häupten des Patienten sitze und er mich nicht sieht… Am 2. September schon, als Sie die Sitzung störten und den Caplaun weinen sahen, hatte er schon alles gestanden: Daß er den Direktor die Leiter hinuntergestoßen habe, daß er das getan habe, um mir zu helfen… Ich schwieg… Denn ich wußte es besser. Ich wußte, daß Caplaun unfähig war, eine derartige Tat zu begehen, ich wußte, daß seine Hemmungen viel zu stark waren. Es war möglich, daß er sich mit dem Direktor in der Heizung getroffen hatte, aber er hatte ihn weder erschlagen (ich wußte damals nichts vom Sandsack) noch hatte er ihm einen Stoß gegeben.
    Ich hatte den Dreyer aus der Heizung kommen sehen. Und ich wußte Bescheid…
    Sie haben immer nur an einen Stoß gedacht, Studer. Ich wußte, als ich die Leiche sah, als ich ihre Stellung näheruntersuchte, daß der Direktor
hinuntergerissen
worden war… Die Brille, die neben ihm lag!… Denken Sie an die Brille!… Bei einem Rücklingshinunterstürzen wäre sie nie abgefallen… Haben Sie nicht die Abschürfungen an der Nase der Leiche bemerkt?… Sein Gesicht hat sich an der Kante der Plattform gestoßen, die Brille wurde weggerissen, dann erst ist der Direktor nach hinten gefallen und hat sich dabei das Genick gebrochen… Ein Fuß tritt ins Leere, ein Mann, der unter der Plattform verborgen ist, ergreift den Fuß, ein kleiner Ruck…
    Aber das gehört ins Gebiet der Kriminologie… Ich bin Arzt, Studer, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt… Seelenarzt… Können Sie sich vorstellen, welche Macht mir in die Hand gegeben wurde? – Sie verstehen nicht, was ich meine… Ein Mensch, der seelisch zerbrochen, verkrüppelt zu mir kommt, dessen Seele ich geradebiegen, heilen soll, dieser Mensch meint, er sei ein Mörder, er gesteht es mir, weil er weiß, ich darf ihn nicht verraten, ich bin sein Beichtiger… Ich kann ihn mit einem Worte beruhigen, ich kann ihm beweisen, daß er kein Mörder ist… Warum tue ich es nicht?… Weil die Idee, Mörder zu sein, den Heilungsprozeß beschleunigen kann, weil ich dadurch einen Hebel besitze: die Seele hängt wie eine Tür an schiefen Angeln – und ich kann die Angeln geradebiegen… Und ich dachte, Sie hätten das verstanden… Ich dachte, Sie erinnerten sich noch an

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