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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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der Tasche. Mit einer Smith and Wesson.
    Matzbach schloß die Augen. »Blutgeld«, sagte er dumpf.
    »Ihr Problem, Matzbach. Es war nicht
meine
Idee, Jorinde und Heinrich und diesen Ostmajor in die Unterwelt zu führen. Das haben Sie mit sich selbst auszumachen.«
    »Hab ich. Die nächsten Jahre. Stimmt.« Matzbach öffnete die Augen; er hatte einen Entschluß gefaßt. Seine Stimme war fester und härter als zuvor. »Es gibt da aber noch etwas.«
    »Und zwar?«
    »Sie, Stiefbruder Flavio, haben Raus Double oder Triple erschossen. Persönlich. Das ist etwas, was ich gesehen habe. Was ich weitergeben werde. Zusammen mit allem, was ich weiß.«
    Dittmer lachte. »Erzählen Sie’s. Wem auch immer. Daß es eine Versammlung von Doppelgängern gibt. Daß jemand den Staat kontrolliert. Daß jemand, der nicht aufzutreiben ist, einen unauffindbaren Doppelgänger erschossen hat. Warum? Damit er nichts verrät? Was soll er verraten? Was soll er, oder Matzbach, oder Yü – was soll er verraten, wenn er nichts beweisen kann?«
    »Wozu dann das Geld?«
    »Als … noble Geste. Damit kein schlechter Geschmack zurückbleibt, wie gesagt. Damit Sie und Yü keinen Stunkmachen. Als Erinnerung daran, daß Sie vielleicht lästigen Stunk machen könnten, der aber am Ende zu nichts führen würde. Lästig, keinesfalls schädlich.«
    »Warum haben Sie uns denn nicht gleich erschossen? Vor dem brennenden Haus?«
    »Vielleicht aus Sentimentalität. Und: Weil ich die Feuerwehrsirenen gehört habe. Es wurde verdammt knapp, alle anderen Spuren zu beseitigen.«
    »Gibt’s eine offizielle Version?«
    »Bei einem Brandanschlag nicht näher zu ermittelnder Rowdies kamen mehrere Personen ums Leben. Yü und Matzbach kamen verletzt davon, konnten die anderen aber nicht mehr retten. Die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Opfer wurden heute morgen auf dem Dorffriedhof bestattet.«
    »Das war die zweite Beerdigung«, sagte Matzbach halblaut.
    »Bitte?«
    »Jorindes Wahrsagerei. Alles andere stimmt.«
    »Und manches, was sie nicht gesehen hat, auch. Also?«
    »Wer hat mich verarztet?«
    »Ein diskreter Mediziner. Also, wie steht’s? Halten Sie die Klappe wie Yü, oder …«
    Matzbach nickte schwach. »An einem Abhang ist mir Neigung Pflicht«, sagte er. »Es gibt da aber noch etwas.«
    Dittmer ächzte. »Was denn noch?«
    »Da Sie es diskret machen wollen, und damit Yü es nicht hört, sag ich’s Ihnen ins Ohr.«
    Dittmer ächzte noch einmal, steckte den Revolver ein und kam zu Matzbachs Lager. Er kniete, beugte sich vor.
    »Und zwar Folgendes«, sagte Matzbach. Mit der Rechten riß er Yüs langes Messer aus dem weißen Tuch und stöhnte auf, als Dittmer mit der Linken sein Handgelenk umklammerteund ihm die andere Hand in den verletzten, schmerzenden Bauch rammte.
    »Wenn’s weiter nichts ist.« Er stand auf, nickte Yü zu und ging zur Tür. »Sie haben nichts in der Hand, Matzbach. Und wir behalten Sie im Auge.« Er ging hinaus.
    Sekunden später wurden unten mehrere Motoren angelassen; die Haustür fiel ins Schloß, mindestens zwei Wagen entfernten sich.
    Matzbach schnappte immer noch nach Luft; allmählich ließ der Schmerz nach.
    Yü kniete neben ihm. »Wie ist die Befindlichkeit des Leibes, alter Herr Matzbach?«
    »Es hat eine Zerfetzung stattgefunden.« Matzbach stöhnte und biß die Zähne zusammen.
    »Mehrere. Dschinnie weiß noch nichts. Dany darf nichts wissen. Wir werden die Erbschaft neu einteilen und uns im konzentrierten Vergessen üben. Das da« – er deutete auf Matzbachs Bauch, dann auf den Kopf – »wird am leichtesten von allem sein.«
    »Fürwahr. O himmelversengende Scheiße.« Er bäumte sich auf, vielleicht, um in den wütenden Schmerzen einen Grund für seine Tränen zu haben. Er dachte an Jorinde, an Genenger, an Bergner, an Mahagonihaar, Berührungen diesseits und jenseits der Haut, Feuer und Sanftmut in grünen Augen, Nächte, geteilte Sonnenuntergänge, Dämonenmessen, flackernde Fackeln und Detonationen und Feuer und ein fahles Gesicht.
    »Tut’s weh?« Yü beugte sich über ihn; er blickte besorgt.
    Matzbach strich über die Binden, Bandagen, Verbände, was auch immer es war, das seinen Bauch umspannte. »Was … was hab ich da? Was ist passiert?«
    »Fleischwunde, alter Herr Matzbach. Ein Streifschuß. Hatdir den Bauch aufgeschrammt, oberflächlich. Du wirst eine Weile deinen Nabel nicht sehen können.«
    Matzbach ächzte.
    »Tut es sehr weh?«
    »Nur wenn ich lache.«

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