Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
Der Trick ist alt, aber er könnte Erfolg haben. Mr. Tyacke muß jedenfalls nahe an die feindlichen Schiffe herankommen, ohne zunächst ihren Verdacht zu wecken.«
»Und welche Chance hat die Crew auf dem Brander, Sir Richard?«
Bolitho sah ihn fest an. »Kaum eine. Es kostet viel Zeit, zum Feind aufzukreuzen. Wenn erst die Lunten brennen, müssen Tyacke und seine Besatzung ins Beiboot und zum Land rudern. Dort werden sie den Holländern in die Hände fallen. Aber man wird sie wohl ungeschoren lassen, denn unsere Truppen sind nahe.« Er spürte, daß Jenour seine Lüge durchschaute, und erläuterte: »Wenn Mr. Tyacke einen Fehler macht, werden wir zwölf gute Leute verlieren. Wenn wir aber direkt angreifen, würden wir alle Schiffe und jeden Mann opfern.«
Allday sah zur fernen Küste. »Keine leichte Entscheidung.« Bolitho strich sich die Haarsträhne aus der Stirn. Was auch geschehen würde, das Resultat war in jedem Fall schlimm.
»Die Herren in London lassen sich deswegen sicher keine grauen Haare wachsen«, murmelte Allday. »Ich habe schon gefürchtet, Sie würden selbst auf den Brander gehen, Sir Richard.«
Bolitho sah Wolken über dem Land aufsteigen und meinte, Sand zwischen den Zähnen zu spüren. »Diesmal nicht.«
Die großen Segel der
Truculent
schoben sich näher heran. Ihr Deck dampfte bereits in der ersten Morgensonne. Sie drehte in den Wind, ein Beiboot wurde zu Wasser gelassen. Simcox pfiff seine Restbesatzung an Brassen und Schoten, um die
Miranda
in den Wind zu stellen, damit das Boot längsseits kommen konnte.
»Alles Gute, Mr. Simcox. Mein Bericht wird Ihnen bei der Masterprüfung sicherlich nützlich sein.«
Mühsam suchte Simcox nach den passenden Worten. »Danke, Sir Richard. Aber wir waren eben Freunde, und ich weiß, warum er das getan hat.« Er deutete auf die davonziehende
Albacora.
»Wenn einer es schaffen kann, dann Mr. Tyacke.«
Das Boot der Fregatte näherte sich ihnen, im Heck einen Leutnant, der in dem unruhigen Wasser mühsam das Gleichgewicht hielt.
»Ich hoffe, wir sehen uns wieder, Mr. Simcox. Sie haben eine gute Besatzung und ein wunderbares Schiff.« Aber das hätte er besser nicht sagen sollen, denn irgendwann würde er vielleicht Schiff und Mannschaft in den Tod schicken müssen. Da erinnerte man sich lieber nicht allzu genau.
»Achtung!«
Bolitho nickte den Männern an der Pforte zu. Da stand der verläßliche Stückmeister Elias Archer. Jay, der Mastergehilfe, würde wahrscheinlich bald Simcox’ früheren Platz einnehmen. Bootsmann Sperry fehlte, der war also bei Tyacke. Warum hatte aber der Midshipman darauf bestanden, auf den Brander umzusteigen? Er hatte doch gerade erst Befehl bekommen, auf sein altes Schiff zurückzukehren. Bolitho beschloß, nicht weiter darüber nachzugrübeln. »Ich denke an Ihr Bier, Mr. Simcox!«
Dann war er unten im Boot, stützte sich auf den Leutnant und versuchte, seinen Degen nicht zwischen den Beinen einzuklemmen.
»Also hier war es?« Tyacke blickte sich in der Kajüte der
Albacora
um. »Dreckig wie ein Schweinestall!«
Segrave starrte die Koje an, als läge dort noch die nackte Sklavin in Ketten. Wie alle anderen Räume unter Deck war auch dieser vollgestopft mit brennbarem Material. Der Brander stank: nach Öl, nach schimmeliger Leinwand, nach tranigem Werg, nach Holz aus Warrens Transportschiffen, das man mit Teer übergossen hatte: alles, was die
Albacora
in eine lodernde Fackel verwandeln würde. Segrave spürte den Luftzug durch das Loch im Deck streichen, der später die Flammen hochjagen würde. Und zum erstenmal, seit er sich gemeldet hatte, wurde ihm angst.
Das Schiff setzte weniger hart ein. »Wir laufen leichter, Sir«, sagte er.
Tyacke riß sich aus seinen Gedanken. »Wie? Ja, natürlich. Aber den Wind haben wir immer noch gegen uns.« Er hockte sich auf eine Kiste, wo sein verletztes Gesicht im Schatten lag. »Mr. Simcox hat mir von Ihren anderen Verletzungen erzählt«, begann er so ruhig, als habe er alle Zeit der Welt. »Man hat Sie geschlagen. Weil Sie an Bord nichts taugten?«
In der Erinnerung ballte Segrave die Fäuste. Der Kommandant damals hatte kein Interesse gehabt an dem, was bei den Midshipmen geschah. Ihn interessierten nur Ergebnisse, sonst nichts. Ein Leutnant hatte daraufhin die Offiziersanwärter in zwei Gruppen geteilt, die nun miteinander wetteiferten beim Kanonenexerzieren, in Seemannschaft, bei Bootsmanövern. Wer verlor, wurde bestraft, wer gewann, erhielt kleine Belohnungen. Segrave
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