Max Perplex
Handelsvertretern mußten der Einfachheit halber in die Duschkabine gepinkelt haben. Viel sah man vom Ganzen gnädigerweise nicht, weil die Glühbirnen mit allenfalls 5 Watt vor sich hin flackerten. Ich hatte keine Kraft mehr, mir ein anderes Hotel zu suchen. Ich stellte den Koffer in eine Ecke und ging erst mal runter ins Restaurant. Schon besser. Es war von einer so spießigen Elementargrausamkeit, daß es schon wieder gut war, und von den Würzburger Einheimischen dicht besetzt. Ich kriegte noch gerade den Katzentisch an der Eingangstür.
Eine dicke Kellnerin mit kleinem Schnurrbart brachte mir die Karte.
»Grüß Gott.«
»Grüß Gott.« Ich sah sie irritiert an. Sie sah leicht irritiert zurück.
»Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor«, sagte ich.
Sie lächelte geschmeichelt.
»Aber Sie san fei net aus Würzburg?«
»Nein. Wo könnte ich Sie nur gesehen haben? Waren Sie mal im Fernsehen?«
Sie lachte schrill und verlegen auf.
»Aber ich bitt Sie. Was möchten Sie drink? An Schoppen?«
»Was können Sie denn empfehlen?«
»Einen Iphöfer Vöglein, der is fei gut.«
»Dann mal her damit.«
Ich blätterte in der Karte. Ich hoffte, daß der Iphöfer wirklich fei gut war, es war der teuerste. Und dann fiel mir auch ein, woher mir die Kellnerin bekannt vorkam. Ich mußte eine Doppelgängerin von ihr in dem Buch »Fellinis Faces« gesehen haben. Sie hätte in Fellinis Monströsitätenshow ein absoluter Megastar werden können.
Aber auch hier war sie gut im Geschäft. Sie brachte kein Glas, sondern gleich eine ganze Flasche. Ich ließ es durchgehen.
»So, an Bocksbeutel, der Herr. Und, habns schon gwählt? Schweinemedaillons wärn fei gut.«
»Leberkäs mit Kartoffelsalat bitte.«
»Zum Iphöfer?«
»Zum Iphöfer.«
Leicht pikiert zog sie ab.
Um mich herum plärrten die Eingeborenen. Ich hatte nichts zu tun und hörte zu. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, der Boden des Lokals müßte mit Endsilben überhäuft sein, denn die ließ man hier einfach fallen. Ich hörte nur immer »des gönnst net mach«, »des tät i gauf«, »des ganns gut eß«, »des ganns gut drink«. Gut eß und gut drink taten sie hier wohl alle, darauf wies unmißverständlich die hohe Zahl stattlicher Wampen und hochrotglühender Schwellköpfe hin. Der Leberkäse kam und war herrlich knusprig und fettig. Hier rauschte das Leben. Es war erbarmungslos häßlich und wunderschön. Ich ließ alles auf die Zimmerrechnung setzen und ging rauf. Beim Auspacken dachte ich an Breyvogel. In welchem Holiday Inn der jetzt wohl steckte? Schon in Argentinien? Am besten ganz unten in Patagonien, da, wo die Ozonschicht schon voll im Eimer war und die Sonne ihm ein Loch in den schwäbischen Schädel brennen würde. Dann dachte ich an Alwine und Schwetzer. Hatte sie mir die Wahrheit gesagt? Oder trieben die es gerade miteinander? Vielleicht, weil ich Alwine mit meiner Eifersucht noch hineingetrieben hatte. Self-fulfilling-prophecy sozusagen. Ich verfluchte meine Phantasie. Mit Schlafen war noch nichts, es war ohnehin erst zehn Uhr. Ich ging raus auf die Semmelstraße, sah ein Kneipenschild mit dem Namen >Semmelbrösel< und ging rein. Sie war voll mit Studenten, und nach einer Stunde am Tresen war auch ich voll genug, um genügend Mut aufzubringen, mich auf das durchgelegene Bett meines Luxuszimmers zu werfen. Warum war ich bloß hierhergefahren? Wollte ich Alwine und Wuff wirklich in flagranti erwischen? Meine Güte, was war ich bescheuert. Morgen früh würde ich zurückfahren. Ein bißchen Stolz und Menschenwürde mußten ja noch drin sein.
18.
Aber leider war ich am nächsten Morgen wieder nüchtern und damit frei von Stolz und absolut meschugge. Ich nahm im Restaurant ein klassisches deutsches Frühstück mit einem zu heißen und zu wabbeligen Ei und Gummibrötchen ein und trank dazu Wasser mit Aspirin C.
Dann raffte ich mich zu einer Sightseeing-Tour auf. Ich konnte mir ja der guten Form halber ansehen, wo diese Wohngemeinschaft von Yvonne Ziegler war. Dann konnte ich Ziegler mit gutem Gewissen meine Reisekosten als Spesen berechnen. Und zwischendurch, hoffte der irrsinnige Derwisch in mir, könnte ich ja zufällig Alwine sehen, wie sie händchenhaltend mit Daniel durch die Stadt lief. Es war trostlos. In mir tanzte ein mit Ecstasy vollgepumptes Rumpelstilzchen den Eifersuchts-Rap. Es war nicht zu stoppen. Ich war ein Fall für den Psychiater. Um halb elf saß ich schon wieder in einer Weinkneipe und schüttete einen Schoppen in mich
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