Max Perplex
raus. Ich behauptete, mich am Wochenende zu Hause verkrochen zu haben. Und ich erzählte, daß Alwine mich angerufen habe, morgen zurückkommen würde und alles wieder in Ordnung sei. Knodt freute sich und rückte sogar eine Flasche von seinem edlen Bardolino-Riserva Grappa raus. Ich revanchierte mich, in dem ich detailliert vom Fall Glanzmann berichtete. Aber ich vergaß keine Minute lang, daß ich in der Scheiße saß. Ich konnte mit niemandem darüber reden. Jetzt saß ich auch hinter einer Zieglerschen Trennwand.
21.
Am nächsten Morgen weckte mich das Telefon. Ich sah auf die Uhr. Zehn nach zehn. Die Zeit, auf die die Uhren in den Uhrengeschäften gestellt werden, weil die Zeiger dann wie ein lachender Mund aussehen und den Ramsch sympathischer machen. Mir war weder nach Lachen zumute, noch war mir irgendwas sympathisch. Schon gar nicht der Anrufer. Es war mein spezieller Freund, Herr Bohling von der Polizei. Das ging schneller, als ich dachte.
»Wie sieht’s aus, Herr Reinartz? Haben Sie unseren guten Rat befolgt?« Vorsicht, Vorsicht, der wollte mich aufs Glatteis führen.
»Nachdem Sie mich so eindringlich darum gebeten haben, blieb mir ja wohl nichts anderes übrig«, log ich.
»Na, ich wußte doch, daß Sie nur den harten Makker gespielt haben.«
»So, wie Sie sich aufgeführt haben.«
»Ffffff.« Er hatte es sich in der Zwischenzeit wohl noch nicht abgewöhnen können.
»Herr Reinartz, wir sind auch im Streß, das müssen Sie verstehen. Sind Sie nur froh, daß Sie auf uns gehört haben. Der Ziegler wird wirklich vom Pech verfolgt.«
Jetzt kam’s. Jetzt war ich dran. Warum kamen die nicht gleich und verhafteten mich. Warum riefen die erst an?
»Wieso? Was ist mit Ziegler?«
»Seine Tochter hat sich umgebracht.«
»Was?«
»Ja. Sie wurde gestern in der Nähe von Würzburg in einem Weinberg gefunden. Hat sich erschossen. Ungewöhnliche Selbstmordart für eine Frau. Aber die Würzburger Kollegen sagen, es gebe keine Zweifel. Auch die ballistische Untersuchung ist eindeutig.«
»Der arme Ziegler«, sagte ich. Schwein gehabt.
»Ja«, sagte Bohling, »so ist das Leben. Und? Haben Sie einen neuen Fall?«
»Hab gerade einen Scheidungsfall abgeschlossen. Beschattung, Fotos, diese Nummer. Wollen Sie sich nicht auch mal selbständig machen?«
»Fffffff! Da hätte ich Angst. Als Beamter hab ich doch ein bißchen mehr Sicherheit als Sie.«
»Da haben Sie auch wieder recht.«
»Dann alles Gute, Herr Reinartz.«
»Alles Gute, Herr Kommissar.«
»Na, na, so weit ist es bei mir noch nicht.«
Ich legte auf und kriegte einen Lachkrampf. Wesley war offensichtlich nicht nur ein Meister im Spurenverwischen, sondern auch im Auslegen von falschen Fährten. Er mußte Yvonne aus nächster Nähe erschossen haben. Ich fragte mich nur, wie er das mit den Schmauchspuren an ihrer Hand hingekriegt hatte. Aber anscheinend wurden gutausgebildete Killer heute auch mit diesem Problem fertig. Thatcher und Kohl hatte er wohl sauber verschwinden lassen. Ich sah mir die Polaroids an. Ich hatte den sicheren Beweis dafür, daß Yvonne sich nicht umgebracht hatte. Auf den Polas hatte sie keine Pistole in der Hand und lag auch nicht in einem Weinberg, sondern auf einem Ikea-Sofa.
Ich duschte, ging in der Bäckerei >Merzenich< frühstücken und machte dann einige Besorgungen. Ich steckte die Polaroids zusammen mit einer kurzen schriftlichen Erklärung in einen Umschlag, klebte ihn zu und hinterlegte ihn bei meinem Rechtsanwalt. Sollte ich irgendwann plötzlich den Löffel abgeben, wird er den Umschlag öffnen. Von dieser Tatsache unterrichtete ich Sal anschließend am Telefon, ohne ihn überhaupt zu Wort kommen zu lassen. Danach schied New York bis auf weiteres als Reiseziel aus. Dann zog ich mir Gummihandschuhe an und befreite die schöne Luftpumpe, die ich in einem Nippeser Fahrradladen gekauft hatte, von meinen Fingerabdrücken. Ich packte sie sorgfältig ein und adressierte das Päckchen an die Herren Bohling und Frank von der Kriminalpolizei. Die Luftpumpe machte wunderbar »Fffffff«. Sie würden sich gut mit ihr verstehen, es war eine Luftpumpe, mit der ein Mann klarkommen konnte.
Dann ging ich zur Post, gab das Päckchen auf und kaufte ein paar leckere Sachen für das Willkommensfest mit Alwine.
Der Tod war ein Meister aus Manhattan, und ich war ein Possenreißer aus Köln-Nippes. Und das Leben ging weiter. Obladi, oblada, life goes on, yeah, naah-nah-nah-naah-naah-naah-nah.
****
Weitere Kostenlose Bücher