Max Perplex
diese hochpathetischen Gesten. Es war immer wieder ein erhebendes Gefühl, wenn wir uns begegneten. Ich überquerte jetzt die Niederländer-Ufer-Straße an der Zoobrücke, trippelte ein kleines Treppchen runter und war am Rheinufer. Der Nieselregen hatte inzwischen eingesehen, daß er gegen meinen Goretexanzug chancenlos war, und gab auf. Über die Hohenzollernbrücke fuhr ein Zug mit gelb leuchtenden Fenstern. Dahinter schraubte sich schwarz und wuchtig der Kölner Dom in den Himmel. Das war natürlich nicht mit dem Blick zu vergleichen, den man beim New York Marathon hat, wenn man über die Queensboro-Bridge auf Manhattan zuläuft. Aber es war schon really something. Und außerdem waren in Köln die Mietpreise noch nicht so hoch wie in New York. Jedenfalls im Moment noch nicht. Ich lief über die Deutzer Brücke rüber aufs rechtsrheinische Ufer, unter der Severinsbrücke durch, über die kleine Drehbrücke am Köln-Deutzer Hafen, die Alfred-Schütte-Allee entlang, den Weidenweg runter, rauf auf die Rodenkirchener Brücke und rüber zum linksrheinischen Ufer. Den Leinpfad runter, vorbei an der »in«-Kneipe >Treppchen< und dann die Uferstraße entlang.
Von der Uferstraße aus konnte ich auf den Auenweg sehen, wo es nur wenige, aber dafür sehr schöne alte Häuser gab. In einem davon wohnte mein erster Klient. Aber Zieglers Haus konnte man von der Straße aus nicht sehen. Ich sah nur eine sehr hohe Mauer, dahinter Sträucher und Bäume. Verlassen, verwunschen, desperat. Wie der Besitzer. Ich sah auf die Uhr. 12 Kilometer in 55 Minuten. Auf die Marathonstrecke gerechnet, 3 Stunden, 15 Minuten.
»Wer andere kennt, ist klug, wer sich selbst kennt, ist weise«, raunte das Tao te king. Ich war weise genug, mit dieser Zeit zufrieden zu sein. Ich würde eben niemals so schnell sein wie Carlos Lopez, Taisuku Kodama oder Robert de Castella. Aber dafür liefen die auch morgens nicht dem Kölner Dom entgegen. Und einem Frühstück mit Alwine. 55 Minuten später stand ich unter der Dusche und hatte meinen Terminplan im Kopf. Auftragsbestätigung bei Bernhard Ziegler, Interviewvereinbarungen mit Familienmitgliedern und Kollegen, Strategiebesprechung mit Hartmut Knodt. Zunächst aber nach dem Duschen einige Dehn- und Auflockerungsübungen. Und dann ein Gespräch über den großen Teich. Bei Sal mußte es jetzt zwei Uhr morgens sein. Er ging nicht ans Telefon.
Zum Frühstück gab es Obstsalat mit Milchkaffee und noch mal eine kleine Auseinandersetzung betreffs kleiner Jungs und ihrer Detektivspiele. Ich hielt mich tapfer, und Alwine hielt es im Kopf nicht aus. Wir verabschiedeten uns etwas bedrückt.
Ich fuhr zu meinem Büro in der Spichernstraße, machte mir mit der blitzenden Höllenmaschine einen Espresso und rief dann Ziegler an. Die etwas abenteuerliche Honorarvorstellung von Knodt brachte ich von vornherein auf immer noch happige hunderttausend runter, aber auch diese Summe wurde von Ziegler cool akzeptiert. Daß Knodt die wundersame Honorarverminderung auch so lässig hinnehmen würde, konnte ich mir schlecht vorstellen. Angeblich war er zu so viel Geld gekommen, weil er sich nichts daraus machte. Das Geld lief ihm sozusagen hinterher. Knodt hatte es zu was gebracht. Vom Langzeitstudenten über den Stadtzeitungsverleger zum Restaurantbesitzer und Immobilienhändler. Praktisch nahtlos vom verbeulten VW-Bus in den racing-grünen Jaguar. Inzwischen verlangte es sein Lebensstandard, sich doch ein bißchen mehr als früher um die Kohle zu kümmern. Aber dafür konnte ich ihm jetzt auch mal wieder ein Abenteuer bieten. Und wie sang schon Heinz Rühmann, der Woody Allen des Dritten Reichs? »Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt...« Genau das grölte ich jetzt auf Knodts Anrufbeantworter und gab bekannt, daß wir den Fall Ziegler nunmehr offiziell in der Tasche hatten. »Was ist mit dem Honorar?« schaltete sich Knodt plötzlich ein.
»Wir kriegen hunderttausend Erfolgsprämie. Und Spesen natürlich. Die anderen fünfzigtausend wird Ziegler Greenpeace stiften.«
»Verhandeln war noch nie deine Stärke, was? Also gut, weil du es bist. Aber dafür mußt du auch erst mal allein anfangen. Ruf mich an, wenn’s brenzlig wird. Ich muß nämlich jetzt erst mal meine Steuererklärung machen, und das ist wesentlich gefährlicher, als Kidnapper zu jagen.«
Ich ließ den Volvo stehen und ging zu Fuß zum Kölner Stadtanzeiger. Schließlich war ich ein grüner Schnüffler. Ich verbrachte eine
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