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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
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Zusammenbruch. Da Weber erkannte, dass er für lange Zeit seine Lehrtätigkeit würde aufgeben müssen, stellte er das Gesuch um Entlassung aus dem Amt; statt der beantragten Entlassung gewährte man ihm einen langen Urlaub bei voller Bezahlung. Im Juli 1900 suchte Max Weber eine Nervenheilanstalt im schwäbischen Bad Urach auf, der seelische Tiefstand war erreicht. Er war unfähig zur Arbeit und Lektüre, zum Briefeschreiben und zum Sprechen, vollkommen nervlich überreizt.
    Im Anschluss an eine Reise nach Korsika trat eine leichte Besserung ein. Im folgenden Jahr reiste Max Weber im März nach Rom und Süditalien, den Sommer verbrachte er in der Schweiz, wo er einen Rückfall erlitt, im Herbst kehrte er nach Rom zurück, um dort den Winter zu verbringen. Seinen äußeren Ausdruck fand der allmähliche Heilungsprozess in der Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Lektüre. Um sein immer noch labiles inneres Gleichgewicht besorgt, reichte Weber ein zweites Gesuch um Amtsentlassung ein, dem erneut nicht stattgegeben wurde, sondern das in eine Dispensierung von der Lehre umgewandelt wurde.
    Als beurlaubter Universitätsprofessor begann Max Weber in diesen Jahren mit seinen methodologischen Arbeiten: Roscher und Knies und die logischen Probleme der historischen Nationalökonomie (publiziert 1903–1906) und über Die ‹Objektivität› sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (publiziert 1904). Die Angst vor dem Lehrbetrieb, vor termingerechten Arbeiten und sein eigener Anspruch dem Professorenberuf gegenüber führten dazu, dass er, im Oktober 1903, mit 3. Jahren, endgültig vom Lehramt zurücktrat. Er blieb von jetzt an Heidelberger Honorarprofessor mit Lehrauftrag ohne Promotionsrecht und ohne Mitspracherecht in der Fakultät. Max Weber wurde eine deutsche Version des gentleman scholar und erfreute sich seit Beginn seiner akuten Erkrankung einer nicht unerheblichen materiellen Versorgung durch die Kapitalerträge des Erbes sowohl seiner Mutter als auch seiner Ehefrau. Ohne äußere Verpflichtungen konnte er sich ausschließlich seinen wissenschaftlichen Interessen widmen, sowohl in Heidelberg als auch auf ausgedehnten Reisen im In- und Ausland, zumeist allein, zuweilen in Begleitung seiner Mutter oder seiner Ehefrau.

IV Das Hohelied der Arbeit. Die Kulturbedeutung des Protestantismus
    Nach dem scharfen Schnitt, den sein Lebensweg durch den Ausbruch seiner Depression 1897 erlitt, verdankte Max Weber der Stadt Rom die allmähliche Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Dort stieß er auf jene beiden großen Themen, die ihn bis zu seinem Lebensende nicht mehr loslassen sollten: die individuelle und kollektive Bedeutung von Religion und die umfassenden Prozesse der universalen Rationalisierung.
    Nicht nur das südliche Licht und die Lebensfreude faszinierten Max Weber, sondern vor allem der gelebte Katholizismus in Italien. Die Wahrnehmung der alltäglichen Frömmigkeit seiner Umgebung war es, die den gedanklichen Ursprung für seine Aufsätze zum Thema Die Protestantische Ethik und der ‹Geist› des Kapitalismus lieferte. Auch Weber verstand Italien und seinen alltäglichen Katholizismus als Gegenentwurf zu jener protestantischen Welt des europäischen Nordens. Der schwer erkrankte Frühpensionär begab sich auf die Suche nach seinem eigenen Verhältnis zur (christlichen) Religion, indem er sich fragte, wieso seine Rastlosigkeit und sein Ehrgeiz im beruflichen Feld ihn bis über die Grenze der Erschöpfung hinaustrieben. In Rom, im geschützten Gehäuse des Königlich-Preußischen Historischen Instituts in Bücher vertieft, wandte er sich der Kulturbedeutung seiner eigenen religiösen «Heimat» zu, dem Protestantismus, wie fremd und schwierig dieser ihm auch geworden war.
    Der Katholizismus – oder genauer: das von Weber entworfene Bild davon – diente ihm dabei allein als Kontrastfolie. Zweifellos auch unter dem Einfluss seines Vaters begegnen wir zwei immer gleich bleibenden Motiven: zum einen der fast automatischen Gleichsetzung von Polentum und Katholizismus, zum anderen dem Thema des «Kulturkampfes» im Deutschen Kaiserreich während der Jahre 1872 bis etwa 1887. Sein inneres Bild vom Katholizismus benutzte Max Weber, um den Protestantismus bestimmter calvinistischer Spielarten markant herauszuarbeiten. Dabei schwang eine unterdrückte Wertschätzung für eine spezifisch katholische Form der Frömmigkeit in ihrem stimmungsvollen Reichtum mit. Hinter seinem Spott über den «ruhig

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