Max Weber (German Edition)
verlaufenen Karriere des Max Weber.
Diese bittere Erfahrung in Sachen praktischer Politik ließ sich einigermaßen rasch verwinden, zeichnete sich doch ein großer persönlicher Erfolg in wissenschaftlicher Hinsicht ab: die Berufung auf einen der renommiertesten Lehrstühle in seinem neuen Fach, der Volkswirtschaftslehre. Er sollte Nachfolger von Karl Knies werden, einem der führenden Köpfe der Historischen Schule der Nationalökonomie, auf dessen Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaften an der Großherzoglich Badischen Universität Heidelberg. Die dortige Philosophische Fakultät hatte Max Weber auf Platz 3 der Berufungsliste für die Nachfolge des zu diesem Zeitpunkt bereits 75-jährigen Karl Knies gesetzt. Nachdem sowohl der Erstplatzierte, Georg Friedrich Knapp, als auch der Zweitplatzierte, Karl Bücher, abgesagt hatten, erhielt Weber den Ruf im Dezember 1896. Nach verhältnismäßig kurzen Verhandlungen nahm er ihn am 7. Januar 1897 an. Wieder einmal waren Leistung und Glück zusammengekommen, wie sein Kollege Adolph Wagner kommentierte: «Max Weber schätze ich sehr. Mit seiner gediegenen juristischen Kenntnis paßt er wohl zum Nachfolger des Verfassers von ‹Geld und Kredit›. Aber wirklich hat er auch hier wieder großes Glück; erst 3. Jahre!»
Ende April des Jahres 1897 fand der Umzug von Freiburg nach Heidelberg statt. In der Universitätsstadt am Neckar werden die Adressen innerhalb der anschließenden Jahre häufig wechseln, von der Leopoldstraße 53b in die Hauptstraße 73 und dann in die Ziegelhäuser Landstraße 27. Erst im April 1910 mieteten sich Max und Marianne Weber im Haus der Großeltern Fallenstein – Ziegelhäuser Landstraße 17 – ein, nachdem die Wohnung im Hochparterre durch den Tod des Onkels Adolf Hausrath frei geworden war. Der Personenname Max Weber und der Ortsname Heidelberg werden von nun an in einem Atemzug genannt werden: «Weber-Heidelberg» wird gewissermaßen zum Markenartikel – auch wenn dabei übersehen wird, dass er zeit seines Lebens ein Preuße blieb.
Am 21. April 1897 – seinem 33. Geburtstag – war Weber auf dem inneren und äußeren Höhepunkt seines beruflichen Lebens angelangt. Für ihn markierte diese Berufung einen großen persönlichen Triumph, handelte sich doch um den Lehrstuhl eines seiner eigenen akademischen Lehrer während seiner Heidelberger Studentenzeit. Auf ebendiesen Lehrstuhl an der ältesten Universität im Deutschen Kaiserreich als Nachfolger eines der renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler berufen worden zu sein konnte er ganz allein seinen eigenen Leistungen im Wissenschaftssystem zurechnen. Mochte das mit dem Ruf nach Freiburg im Juli 1893 noch ein wenig anders gewesen sein, so hatte ihn der Ruf an die Universität Heidelberg von jedem Verdacht auf wissenschaftlich-politischen Nepotismus gereinigt. Aber nicht nur die universitäre Wissenschaft rief nach ihm in dieser Zeit: Noch zu Jahresbeginn 1897 hatte ihn ein liberaler politischer Verein in Saarbrücken zum Vortrag eingeladen, wenig später offerierte man ihm von dort eine Kandidatur für den Deutschen Reichstag, die er jedoch wegen des erwarteten Rufs nach Heidelberg abgelehnt hatte.
In Heidelberg, jener Stadt, in der seine Mutter aufgewachsen war und in der er selbst seine ersten Studien absolvierte, fühlte Max Weber sich von Anfang an wohl, er frischte seine Kontakte zu seinen früheren Lehrern Ernst Immanuel Bekker, Bernhard Erdmannsdörffer und Kuno Fischer auf, er knüpfte Beziehungen zum Verfassungsrechtler Georg Jellinek und zum Theologen Ernst Troeltsch. Der Weber’sche Haushalt wurde bald zu einem zentralen und wirkungsvollen Treffpunkt der Heidelberger akademischen Intellektuellen. Sowohl die Enttäuschung über die Nichtaufnahme in den endgültigen Börsenausschuss als auch der Verzicht auf eine Reichstagskandidatur für Saarbrücken wogen nicht schwer im Vergleich zum Triumph seines akademischen Erfolgs.
Auch für die persönliche Entwicklung Max Webers sollte das Jahr 1897 von zentraler Bedeutung werden. Am 14. Juni hatte er eine schwere Auseinandersetzung mit seinem Vater, der mit Webers Mutter zu Besuch in Heidelberg weilte. Der Streit ging um das von Max Weber junior scharf kritisierte autoritär-patriarchalische Verhalten des Vaters der Mutter gegenüber. Kurze Zeit nach dem Streit zwischen Sohn und Vater und ohne sich wieder mit Frau und Sohn verständigt zu haben, starb Max Weber senior am 10. August desselben Jahres in
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