Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
Vom Netzwerk:
Geld verdienen will, sondern einfach nur so leben möchte, wie er zu leben gewohnt ist, und darum nur so viel zu erwerben strebt, wie dazu erforderlich ist. Weber sah in diesem traditionalistischen Denken jene unendlich zähe Widerstandskraft überall dort, wo der moderne Kapitalismus sein Werk der Steigerung der «Produktivität» der menschlichen Arbeit begann. Kontrastierte Weber in manchen Passagen über ebendiese Spannungen zwischen einer frühkapitalistischen, traditionalistischen Wirtschaftsgesinnung und moderner, rationaler, kapitalistischer Lebensführung auch seinen eigenen Großvater mit seinem eigenen Onkel, so stellte er sich die Frage nach den Gründen für diese revolutionäre Veränderung. Es sind eben nicht religiöse oder ethische Maximen, die diese Abkehr vom Traditionalismus hin zum modernen, rationalen Betriebskapitalismus bewirkten, seien doch jene «vom ‹kapitalistischen Geist› erfüllte Naturen» wenn nicht gerade kirchenfeindlich, so doch religiös indifferent: «Der Gedanke an die fromme Langeweile des Paradieses hat für ihre tatenfrohe Natur wenig Verlockendes, die Religion erscheint ihnen als ein Mittel, die Menschen vom Arbeiten auf dem Boden dieser Erde abzuziehen. Würde man sie selbst nach dem ‹Sinn› ihres rastlosen Jagens fragen, welches des eigenen Besitzes niemals froh wird, und deshalb gerade bei rein diesseitiger Orientierung des Lebens so sinnlos erscheinen muß, so würden sie, falls sie überhaupt eine Antwort wissen, zuweilen antworten: ‹die Sorge für Kinder und Enkel› häufiger aber und […] ganz einfach: daß ihnen das Geschäft mit seiner steten Arbeit ‹zum Leben unentbehrlich› geworden sei. Das ist in der Tat die einzig zutreffende Motivierung und sie bringt zugleich das, vom persönlichen Glücksstandpunkt aus angesehen, so Irrationale dieser Lebensführung, bei welcher der Mensch für sein Geschäft da ist, nicht umgekehrt, zum Ausdruck.»
    Von «kapitalistischem Geist» sprach Weber deswegen, «weil jene Gesinnung in der modernen kapitalistischen Unternehmung ihre adäquateste Form, die kapitalistische Unternehmung andererseits in ihr die adäquateste geistige Triebkraft gefunden hat». Dabei an seinen Oerlinghausener Onkel, den Mitinhaber der Carl Weber & Co. (CaWeCo) denkend, entwarf Max Weber für diese Gesinnung den «Idealtypus» des modernen kapitalistischen Unternehmers: Dieser verabscheut jede Prahlerei und jede übermäßige gesellschaftliche Anerkennung, seine Lebensführung trägt «einen gewissen asketischen Zug» und zeichnet sich durch «ein Maß von kühler Bescheidenheit» aus. Ein solcher Kapitalist «hat nichts» von seinem Reichtum für seine Person, außer der irrationalen Empfindung guter «Berufserfüllung».
    Die entscheidenden Stichworte für die von Weber geknüpfte Argumentationslinie reihen sich wie von selbst aneinander: Die «ökonomisch aufsteigenden bürgerlichen Mittelklassen» weisen eine «anerzogene geistige Eigenart» auf, die geprägt ist durch den in ihnen herrschenden Protestantismus, der eine «spezifische Neigung zum ökonomischen Rationalismus» mit sich bringt, deren handelnde Personen einen gewissen «asketischen Zug» an sich tragen und die ihre innere Befriedigung im Ideal der «guten Berufserfüllung» erlangen. Was Weber nicht zuletzt im Kreis seiner eigenen internationalen Verwandtschaft seit Kindesbeinen erlebte und was er auch an sich selbst wahrnahm, versuchte er sich nun ideengeschichtlich zu erklären. Wie konnte es kommen, dass ein Verhalten, das im Zentrum der kapitalistischen Entwicklung der spätmittelalterlichen Welt – also etwa in Florenz im 14. und 15. Jahrhundert – als sittlich bedenklich oder allenfalls tolerabel galt, seit dem 18. Jahrhundert zum Inhalt einer sittlich löblichen, ja gebotenen Lebensführung werden konnte? Für diese hatte Weber die «hinterwäldlerisch-kleinbürgerlichen Verhältnisse» von Pennsylvanien in den USA vor Augen, wo die Wirtschaft aus purem Geldmangel stets in Naturaltausch zu kollabieren drohte, von größeren gewerblichen Unternehmungen kaum eine Spur, von Banken nur die ersten Anfänge zu bemerken waren: «Hier von einer ‹Widerspiegelung› der ‹materiellen› Verhältnisse in dem ‹ideellen Überbau› reden zu wollen, wäre ja barer Unsinn.» Mit Blick auf diese Gegenüberstellung fragte Weber nach dem «Gedankenkreis», aus dem die rein auf Gewinn gerichtete Tätigkeit von Menschen unter die Kategorie des «Berufs» gestellt wurde,

Weitere Kostenlose Bücher