Maxie und ein Fisch mit Fernweh
selbst eingerichtet hätte.
An der schrägen Wand gegenüber dem runden Dachfenster steht ein schmales Bett. Kassia hat aus Pappe kunstvoll ein Raumschiff drum herum gebaut und es mit Silberfolie beklebt. Wenn es eine Sternschnuppen-Nacht gibt, guckt sie ewig lange mit ihrem Fernrohr in den Himmel und legt sich erst im Morgengrauen in ihre Raumschiff-Kabine zum Schlafen, um auch ja nichts zu verpassen.
„Das Raumschiff ist obercool!“, sagt Jonas beeindruckt. „Irgendwie total echt. Man hat Lust, sofort damit loszudüsen.“
Ich nicke zufrieden. „Sag ich doch die ganze Zeit.“ Die Bemerkung, dass Kassia, wenn sie groß ist, mit einem echten Raumschiff zu den Aliens fliegen möchte, verkneife ich mir aber lieber.
Jonas guckt sich aufmerksam jede einzelne Himmelskarte an, die Kassia an die Wände gepinnt hat. Direkt über ihrem Fernrohr hängt das Schwarz-WeißFoto eines besonders beeindruckenden Planeten.
„Und wie heißt dieser Stern?“, fragt Jonas neugierig. „Der sieht toll aus.“
Ich antworte nicht, weil ich plötzlich Angst habe, dass Jonas mich auslacht.
„Weißt du wohl nicht, oder?“ Er grinst. „Du kennst dich besser mit Hamstern und Schlappohren aus.“
Der Pfefferjunge wird ja schon wieder unverschämt. „Der hat keinen Namen“, antworte ich ruppig, und obwohl ich ihm das gar nicht auf die Nase binden wollte, rede ich einfach weiter. „Das ist der neue Planet von unserem Papa. Kassia hat ihn entdeckt und sie ist sicher, dass er jetzt dort oben wohnt. Er leuchtet nämlich direkt auf unser Haus. Tag und Nacht.“ Wenn Jonas jetzt irgendeine Silbe Doofes sagt, werde ich so wütend, wie ich es noch nie war.
Aber komischerweise macht er keinen Pieps, sondern starrt nur eine halbe Ewigkeit auf dieses Foto.
„Da habt ihr wirklich Glück“, sagt er schließlich ziemlich leise.
„Hä?“
„Na, dass euer Papastern jetzt auf euch aufpasst“, erklärt er ernst und ganz ohne Spott in der Stimme. „Und dass Kassia ihn in dem ganzen Sternengewimmel überhaupt gefunden hat.“
Ich könnte schwören, dass es in seinen Augen plötzlich feucht glitzert, aber da mir albernerweise eine eigene Träne dazwischenkommt, kann ich nicht so genau gucken.
„Wo sind denn nun die Fledermäuse?“, fragt Jonas in normaler Lautstärke. „Oder hast du bloß angegeben?“
Ich könnte schon wieder fast explodieren. „Guck einfach richtig“, zicke ich los. „Augen sind nämlich zum Sehen und nicht zum Schlafen da. Direkt über dir, wo die zwei dicken Balken zusammenstoßen, ratzt ein Pärchen. Es ist ja noch nicht Nacht, die müssen Energie tanken, bevor sie loslegen. Du weißt schon, womit.“
Ich kichere, weil Jonas so zusammenzuckt.
„Die haben ja riesige Köpfe“, sagt er respektvoll.
„Und ganz spitze Zähne!“, ergänze ich zuckersüß. „Aber putzig sehen sie schon aus, oder?“
Jonas nickt. „Stimmt. Aber Willi und Cäsar sind mir einfach sympathischer.“ Er macht sicherheitshalber ein paar Schritte von den Balken weg. „Glaubst du, ich darf irgendwann mal durch das Fernrohr gucken, wenn es dunkel ist?“, fragt er nachdenklich. „Eigentlich schade, dass man damit nur in den Himmel und nicht über den Ozean, zum Beispiel nach Amerika, sehen kann. Ich wüsste wirklich gerne, was meine Mutter in diesem Augenblick macht.“
Er räuspert sich, weil seine Stimme plötzlich ganz heiser geworden ist.
Ich schaue verlegen auf meine Armbanduhr. „Kann sein, dass sie noch schläft“, sage ich schnell. „Vielleicht ist sie auch gerade aufgestanden und kocht sich Kaffee oder duscht. In Amerika ist es jetzt doch noch viel früher.“ Ich grinse etwas überlegen.
Jonas haut sich gegen die Stirn. „Stimmt ja schon wieder“, erwidert er und grinst zurück. „Du kriegst auf jeden Fall die Besserwisser-Medaille in Gold.“
Er setzt sich probeweise auf Kassias Raumschiff-Bettkante und guckt mich erwartungsvoll an. „Also. Womit legen wir los? Nicht mit den Fledermäusen, oder? Die beißen uns doch bestimmt, wenn wir sie einfangen wollen. Mein Vater hat Berge Kuchen und so winzige Schokotörtchen mit Cremefüllung eingekauft und tütenweise Kaffee. Er will sich morgen in der Schule bei seinen neuen Kollegen damit einschleimen, schätze ich mal. Vielleicht könnte man da ja ein bisschen nachhelfe n …“ Er spricht nicht weiter und setzt ein möglichst harmloses Gesicht auf.
Juchuhhh! Für diese gute Nachricht könnte ich den Pfefferjungen abknutschen. Was ich natürlich nicht tue,
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