Maxwell 01 - Nur du kannst die Menschheit retten
von diesen erfundenen Namen. Warum willst du das wissen?«
»Ach, nichts Wichtiges. Interessiert mich wahrscheinlich nur, weil sie sich bei Patel über das Spiel beschwert hat. Wessen Schwester ist sie?«
»So ein Typ namens… äh… Plonker. Genau. Ein Freund von Bigmac. Sicher, daß bei dir alles in Ordnung ist?«
»Klar. Alles okay. Bis dann.«
»Bis dann. Bist du morgen zu Hause?«
»Denke schon.«
»Bis dann.«
»Bis dann.«
Bigmac kam nicht ans Telefon. Wo Bigmac wohnte, bekamen die Leute kaum noch Post. Selbst Ganoven hatten Schiß, sich dort aufzuhalten. Leute sprachen von der Joshua-N’Clement-Siedlung, wie sie früher wahrscheinlich von der Schwarzen Hölle von Kalkutta oder vom Wartezimmer der Spanischen Inquisition gesprochen hatten.
Der freistehende Wohnturm zeichnete sich einsam und schwarz vor dem Himmel ab wie der letzte Zahn in einem Mund.
Viel mehr gab es da nicht. Im Erdgeschoß befand sich eine Reihe verbarrikadierter Läden, und man konnte noch sehen, wo es gebrannt hatte. Dann war da noch ein Pub mit Neonlichtern und roten Ziegelwänden. Der Pub hieß
The Jolly Farmer.
Der Turm hatte 1965 einen Preis gewonnen, kurz bevor einzelne Teile allmählich abzubröckeln begannen. Es war immer windig dort. Selbst an den windstillen Tagen pfiffen eisige Sturmböen durch die Betongänge. Der Ort war eine Art Windreservat. Hätte es den Joshua-N’Clement-Turm schon vor tausend Jahren gegeben, wären die Leute aus dem ganzen Land dort hingepilgert, um dem Windgott zu huldigen. Johnnys Vater nannte die Siedlung Rottweiler Hights. Johnny konnte die Biester jetzt bellen hören, als er die Treppen hinaufstieg (die Fahrstühle funktionierten schon seit 1966 nicht mehr). Alle Bewohner schienen Angst zu haben, und zum Großteil war es die Angst voreinander.
Bigmac wohnte im vierzehnten Stock mit seinem Bruder und dessen Freundin und einem Pitbull-Terrier namens Clint. Zuverlässige Quellen behaupteten, daß Bigmacs Bruder seinen Lebensunterhalt durch den ziemlich informellen Vertrieb von Videorecordern bestritt.
Johnny klopfte ganz sachte an, in der Hoffnung, sein Klopfen sei laut genug, um von den Leuten gehört, und leise genug, um von Clint überhört zu werden. Doch er hatte kein Glück. Hinter der Tür brach ein Höllenlärm los.
Nach einer Weile hörte er das Klicken der Kette, und die Tür wurde ein paar Zentimeter weit geöffnet. Ein argwöhnisches Auge erschien auf der Höhe, wo man ein Auge erwarten würde, wobei einen Meter tiefer ein gewisses Ausmaß an Verwirrung zu herrschen schien, während Clint versuchte, beide Augen und seine Zähne durch den schmalen Spalt zu schieben.
»Ja?«
»Ist Bigmac da?«
»Weiß nich.«
Johnny wußte Bescheid. In der Wohnung gab es nur vier Zimmer. Bigmacs Familie war riesig und lebte über die ganze Stadt verteilt, und so gut wie kein Familienmitglied wußte, wo sich ein anderes gerade aufhielt, bis es ganz sicher war, um wen es sich bei dem Besucher handelte.
»Ich bin’s, Johnny Maxwell, aus der Schule.«
Clint versuchte seinen fünfzehn Zentimeter breiten Kopf durch den fünf Zentimeter breiten Spalt zu quetschen.
»Ach, ja?« Johnny spürte, wie er genauestens inspiziert wurde. »Der is unten im Pub. Yeah.«
»Oh, tschau«, sagte Johnny mit einer Stimme, von der er hoffte, daß sie einigermaßen normal klang. »Ich mein, yeah.«
Bigmac war dreizehn. Aber der Besitzer vom
Jolly Farmer
stand in dem Ruf, an jeden auszuschenken, der nicht gerade auf einem Dreirad hereinkam.
Sein Rückweg führte ihn sowieso am Pub vorbei. Er quälte sich ein bißchen mit dem Gedanken, ob er den Laden tatsächlich betreten sollte. Für Bigmac war es okay. Bigmac sah schon wie siebzehn aus, als er geboren wurde. Aber dann stellte sich heraus, daß seine Bedenken überflüssig waren, denn Bigmac lehnte draußen vor dem Pub an der Kühlerhaube eines Wagens. Er hatte ein paar Freunde bei sich. Sie musterten Johnny mit argwöhnischen Augen, während er sich näherte, und der eine, der gerade noch ganz nonchalant an dem Türgriff des Wagens herumgefummelt hatte, richtete sich auf und starrte ihn wütend an.
Johnny versuchte, einen lässigeren Gang einzuschlagen.
»Yeah, Johnny«, sagte Bigmac auf eine ziemlich unverbindliche Art.
Hier ist er anders, dachte Johnny. Älter und härter.
Die anderen Jungs entkrampften sich ein bißchen. Bigmac kannte Johnny. Das machte ihn akzeptabel, zumindest für kurze Zeit.
»Ich seh dich nicht oft hier oben«, sagte Bigmac.
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