Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
Vom Netzwerk:
gesunder Laut. Das Mädchen jedoch gab, obwohl es kräftig um sich trat, keinen Laut von sich, und sein Gesicht war rot wie die Beeren, denen die alte Frau ihren Namen verdankte. Die winzigen Äuglein waren zu Schlitzen verengt, und es schwenkte die kleinen Fäuste durch die Luft, schien dagegen zu protestieren, daß es aus der warmen, dunklen Behaglichkeit der Leibeshöhle vertrieben worden war.
    Eine Kämpferin, dachte Alte Beere. Gut. Das wird sie sein müssen.
    Sie langte nach unten, um bei der Reinigung von Baums Körper zu helfen, und in diesem Augenblick erkannte sie das drohende Unheil. Die Katastrophe nahm ihren Lauf in Form eines endlosen, langsamen, pulsierenden Stromes von heißem Blut. Die scharlachrote Flüssigkeit breitete sich schnell aus, benetzte die Finger von Alter Beere, sickerte auf die Felle unter Baums entspanntem Körper.
    Zu entspannt. Alte Beere kannte diese Schlaffheit. Sie streckte schnell die Hand aus und fühlte an Baums Hals nach dem regelmäßigen Pulsschlag, der dort hätte sein sollen, wohl wissend, daß sie ihn nicht ertasten würde.
    Ein schwaches Liderflattern, rasch wie der Flügelschlag eines Vogels -
    dann erlosch selbst das wie die letzten glühenden Aschestücke eines Feuers.
    »Moos«, sagte sie schroff. »Viel Moos.«
    Sie wußte, daß es keinen Zweck hatte, und doch mußte sie es versuchen.
    Sie arbeitete verbissen, selbst als das kleine Mädchen schließlich ein kräftiges Heulen ausstieß.
    Es ist nicht nur Unheil über uns gekommen, redete Alte Beere sich zu und fürchtete den Moment, in dem sie ihrem Sohn würde gegenübertreten müssen. Zumindest gibt es zwei neue Angehörige des Volkes. Selbst wenn ihre Mutter tot ist - die Große Mutter ist gut zu uns gewesen.
    Nach mehreren Minuten angestrengter Bemühungen um das Leben von Baum stieg ihr der Geruch abrupt entleerter Gedärme in die Nase, und sie ließ von ihrem Tun ab. Heute würden Freude und Trauer unter dem Volke herrschen.
    Langsam richtete sie sich auf; sie spürte jeden einzelnen Tag ihres langen Lebens in der Steifheit ihres Rückens, im Knirschen und Knacken ihrer Knie- und Schultergelenke. »Säubert sie«, trug sie den jüngeren Frauen auf. »Macht sie bereit für die Rückkehr.« Sie seufzte. »Ich werde es den Männern mitteilen.«
    Sie stapfte mühsam zum Rand ihres Kreises und blieb stehen.
    »Jemand soll Geist holen«, sagte sie fast beiläufig. »Wir werden ihn bald benötigen.«
    Insgeheim wünschte sie, daß Alter Zauber hier wäre, doch gewisse Dinge mußten ohne Aufschub vollbracht werden. Weder mochte sie den Schüler des Schamanen, noch traute sie ihm über den Weg, doch das spielte keine Rolle, angesichts der Tatsache, daß die Geister besänftigt werden mußten.
    Und widerwillig mußte sie zugeben, daß der junge Mann diese Pflicht gut erfüllte.
    »Gebt sie mir«, ordnete sie an, und die beiden winzigen, schreienden, in Felle gewickelten Bündel wurden in ihre Arme gelegt. Sie wiegte sie ein wenig und lächelte, als sie die kleinen Gesichter betrachtete. Der Junge öffnete die Augen und sah sie an, wohl ohne sie wirklich wahrzunehmen; seine Augen zwei glänzende schwarze Knöpfe in seinem runden Gesicht.
    »Boo boo«, flüsterte Alte Beere leise und pustete ihm sanft in die Nasenlöcher; das brachte Glück. Die Augen des Mädchens blieben fest geschlossen.
    Alte Beere seufzte, als sie die beiden Säuglinge nach draußen brachte, damit ihr Vater sie begutachten konnte. Das Mädchen würde seine Augen schon früh genug öffnen - und später, wenn es eine Frau geworden wäre, würde ihm wahrscheinlich nicht gefallen, was es damit sah.
    Doch alles war nach dem Willen der Großen Mutter, und so akzeptierte Alte Beere es. Sie mußte es akzeptieren. Sie hatte keine Wahl.
    Als sie das Zelt verließ, erhob sich Wehklagen hinter ihr, so daß sie ihre Schritte beschleunigte - aber nicht aus Furcht. Sie nahm es nur hin. Das ganze kurze, heftige, von Gewalt begleitete Leben des Volkes wurde von diesem Wehklagen überschattet. Dies war ihr Lied. Ein Lied des Lebens -
    für die, die noch lebten.
    Und ein Lied des Todes - für die, die nicht mehr lebten.
    Geists Lippen verzogen sich zu einem bitterkalten, triumphie renden Lächeln, als der Klang des Todesliedes durch die Wände seines kleinen Zeltes sickerte. Höchstwahrscheinlich hatte Baum, wie schon zweimal zuvor, ein weiteres stummgeborenes Kind auf die Welt gebracht. Er war nicht überrascht. Durch ihre Weigerung, ihn rechtzeitig zu rufen, wurden

Weitere Kostenlose Bücher