Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
Vom Netzwerk:
können.
    Dann ergriff die Schwärze wieder Besitz von ihm, und blind und zuckend kullerte er den Abhang hinunter, mitten zwischen die entsetzten Jungen.
    Als er erwachte, herrschten Hitze und Schmerz und Dunkelheit. Das Geräusch langsamen, schweren Atmens ganz dicht bei ihm erschreckte ihn. Zuerst dachte er, er wäre in die Höhle irgendeines Tiers verschleppt worden. Und dann glaubte er, was ihn noch mehr entsetzte, daß er tot sei und ein bösartiger Geist neben ihm hockte, der darauf wartete, sein Herz zu fressen.
    »Ahhh!« flüsterte er und versuchte sich aufzusetzen. Die Bewegung sandte einen glühendheißen Schmerzstich durch den geschwollenen Klumpen, der sein linkes Knie war. Als er sich erhob, immer noch blind, berührte ihn eine breite, warme Hand an der Stirn und drückte ihn sanft wieder aufs Lager.
    »Bleib liegen, Kleiner Junge«, sagte eine freundliche Stimme. »Du bist in Sicherheit.«
    Diese Stimme kannte er. Alter Zauber, der Schamane des Volkes. Doch warum war er hier? Und warum war das Zelt so dunkel?
    Seine Lippen bewegten sich, um die Worte zu formen, doch Alter Zauber hatte begonnen, ein leises Lied zu singen, und dessen Klang war so tröstlich und besänftigend, so friedvoll, daß Kleiner Junge - denn so lautete sein erster Name, und die Jäger hatten ihm nie einen anderen verliehen - mit einem dankbaren Seufzer zurücksank und einschlief; er genoß dieses Gefühl der Sicherheit, das er nicht mehr verspürt hatte, soweit er sich zurückerinnern konnte.
    »Ich möchte etwas mit dir bereden«, sagte Alter Zauber.
    Es war fast eine Woche, nachdem Kleiner Junge gestürzt war. Die Pein in seinem Knie war zu einem dumpfen, pochenden Schmerz geworden. Mit Hilfe einer groben Krücke war er in der Lage, zu stehen, ja sogar vor das Zelt zu humpeln, um seine Bedürfnisse zu verrichten. Alter Zauber überprüfte den großen Umschlag faulig riechenden Mooses, den er jeden Tag von neuem auf das verletzte Knie packte, und an jenem Tag nickte er zufrieden. »Nicht vollkommen«, erklärte er, »aber du wirst kein Krüppel bleiben. Vielleicht wirst du ein bißchen hinken, und es wird noch schmerzen, wenn die Kälte und der Schnee kommen, aber nicht schlimm.«
    Das Fell, das den Eingang des Geisterzeltes verdeckte, wurde weit zurückgerissen, so daß das schwache, gelbliche Sonnenlicht hereinströmte. Der Schamane hockte sich hin und beäugte den Jungen nachdenklich. »Du träumst, wußtest du das?« wollte Alter Zauber von ihm wissen.
    Wie eine Faust schloß sich die Angst um das Herz von Kleiner Junge.
    Träumen, das war doch sein Geheimnis. Aber wie konnte der Schamane von seinen Träumen wissen?
    Etwas von seinen Gedanken mußte sich auf seinen verkniffenen Zügen widergespiegelt haben, denn Alter Zauber lächelte beruhigend. »Du sprichst im Schlaf, Kleiner Junge. Ich höre zu. Das ist eine der Aufgaben, die ein Schamane hat. Zuhören.« Er nickte vor sich hin.
    Kleiner Junge schüttelte den Kopf. Also hatte Alter Zauber sein Geheimnis entdeckt. Was würde nun geschehen? Eine weitere Brandmarkung als böser Geist? Vielleicht die endgültige Ausstoßung aus dem Volk? Mit einemmal kümmerte das alles Kleinen Jungen nicht mehr.
    Ein Hauch von Trotz schwang in seiner Stimme mit. »Ja«, sagte er. »Ich habe Träume. Viele Träume.«
    »Aha«, entgegnete Alter Zauber. »Erzähl mir von deinen Träumen.«
    Und so geschah es, daß Kleiner Junge schließlich von seinem Elend erlöst wurde. Der Schamane hörte - wie er es verspro chen hatte - der langen und unzusammenhängende Erzählung
    von Kleiner Junge über die seltsamen Wesen genau zu, die seinen Schlaf bevölkerten. Alter Zauber schien besonders interessiert an jenen Momenten zu sein, wenn Kleiner Junge diese Wesen mit offenen Augen erblickte, im Licht des Tages. Schließlich schien der Schamane zufrieden zu sein. Er beugte sich dicht zu Kleiner Junges Gesicht vor, lächelte und sagte: »Ich werde dir jetzt etwas erzählen.«
    Ein wenig ängstlich erwiderte Kleiner Junge den Blick von Altem Zauber. »Was?«
    »Dein Name ist nicht länger Kleiner Junge.«
    Verwirrung. Wenn er nicht mehr Kleiner Junge war, wer war er dann?
    »Ich verstehe nicht.«
    Das Grinsen des Alten wurde jetzt breiter. »Ich werde dir einen neuen Namen geben. Dein Name ist jetzt Geist. Gefällt er dir?«
    Gelähmt von der Macht seines neuen Namens, fiel Geist die Kinnlade herunter. Er nickte bedächtig.
    »Gut«, meinte Alter Zauber. »Dein Name ist Geist - und du gehörst mir.
    Denn

Weitere Kostenlose Bücher