Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
Vom Netzwerk:
flüsterte sie. »Es kommt noch ein zweites!«
    Blatt reichte das Neugeborene an eine andere Frau weiter und beugte sich vor, um Alter Beere zur Seite zu stehen. »Weiter festhalten!« fauchte Alte Beere die beiden Mädchen an, die Baums Beine losgelassen hatten.
    »Festhalten, hab' ich gesagt, ihr dummen Mädchen!«
    Düster starrte Geist auf die heruntergelassene Zeltklappe seiner Behausung. Warm genug war es ihm, wie er dort zurückgelehnt auf seinem Bett aus Pelz und Gras lag, doch er fühlte sich innerlich aufgewühlt.
    Die Nacht zuvor hatte er geträumt, und immer noch konnte er sich keinen Reim auf die Botschaft machen, die die Geister ihm hatten zukommen lassen. Geist war immer noch ein junger Mann, erst sechzehn Jahre alt, und doch war er schon seit zwei Jahren der Schüler des Schamanen. Seine Lippen verzogen sich zu einem mürrischen Schmollmund.
    Man sollte meinen, daß der alte Narr mir mittlerweile vertraut, dachte er.
    Aber weit gefehlt, er stopft mir mit kleinen Häppchen Wissen in den Mund und behält die großen Geheimnisse für sich.
    Es gab da Geheimnisse, daran hegte Geist keine Zweifel, große Geheimnisse, die ihrer Enthüllung harrten. Viele Male hatte er unangekündigt den alten Mann bei seinen Ritualen unterbrochen, hatte Gegenstände gesehen, die rasch versteckt worden waren, hatte Gesänge vernommen, die ihm niemals beigebracht worden waren. Aber wenn er Fragen darüber gestellt hatte, was er gesehen und gehört hatte - wobei er versucht hatte, seine Miene unbeteiligt und unschuldig aussehen zu lassen
    -, hatte Alter Zauber ihn mit vagen Ausflüchten wie »später« und »wenn die Zeit kommt« abgespeist.
    Die Geheimnis se des Alten nagten an ihm. Was dachte sich der alte Narr denn dabei? Warum warten? Es war ja nicht so, daß der Schamane jünger wurde - er hatte bereits eine weitaus längere Lebensspanne hinter sich als irgend jemand sonst aus dem Volk, war sogar älter als Alte Beere. Und auch diese Greisin kannte Dinge, die ihm verheimlicht wurden. Er war sich dessen sicher, und er haßte die flüchtigen, verächtlichen Blicke, die sie für ihn übrighatte.
    Und nun stand sie in all ihrer Herrlichkeit der Zeremonie der Geburt eines weiteren Kindes vor. Dieser Augenblick der Magie war ihm vorenthalten, doch als einzigem Schamanen - nun, als Schüler des Schamanen und damit dem zukünftigen weisen Mann des Volkes - schuldete sie ihm zumindest die Höflichkeit, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Und doch begegnete sie ihm mit Mißachtung, und als bei Baum die Wehen eingesetzt hatten, hatte man nicht eine einzige Frau zu seinem Zelt geschickt, um ihm von dem Verlauf der Geburt zu berichten.
    Auch hier galt es, Geister zu besänftigen. Die Geburt mochte ja den Frauen allein gehören, doch wenn das Kind einmal auf der Welt war, konnte nur der Schamane die Zauber bewirken, die die Geister dazu bewegten, den Neuankömmling willkommen zu heißen, die Geister, die jeden einzelnen Augenblick im Leben des Volkes bestimmten.
    So gärte also Zorn in Geist, während er in seinem Zelt wartete und die qualvollen Schreie von Baums Kreißen hörte und dachte: Gut. Das geschieht ihnen recht!
    Auch ihm fiel auf, daß die Geburt entsetzlich lange währte. Könnte es etwas mit seinen seltsamen Träumen in der vergangenen Nacht zu tun haben?
    Eine interessante Idee. Er lehnte sich zurück und dachte eingehend darüber nach.
    Die Luft im Innern des Zeltes roch nach Blut und Schweiß und feuchten Fellen und Rauch, ein Gestank, der so durchdringend war, daß sich Alter Beere der Magen umdrehte. Doch sie unterdrückte ihre wachsende Übelkeit und holte mit Händen, die schlüpfrig waren vor lauter Blut, den zweiten winzigen Kopf aus Baums Geburtskanal.
    »Gut«, murmelte sie schließlich, als das leichte Wesen schließlich in ihre wartenden Hände fiel. Ganz anders als das Erstgeborene, trat dieses zweite Kind wild um sich. Ein Mädchen. Ein kostbares Geschenk der Großen Mutter also - denn obwohl in den Augen der Männer des Volkes nur Jungen richtig geschätzt wurden, wußte Alte Beere doch um die Bedeutung der Frauen für den Stamm. So geringschätzig man auch von ihnen denken mochte, hielten sie doch das Schicksal des Volkes zwischen ihren Schenkeln, ganz gleich, was irgendeiner dieser prahlerischen Jäger auch schwätzen oder denken mochte. Nicht einmal ihre eigenen Söhne sprachen gut über sie.
    Sie reichte Blatt das Kind, die sich gewissenhaft darum kümmerte. Der Junge schrie im Hintergrund, ein robuster,

Weitere Kostenlose Bücher