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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Opern und Ballettaufführungen. Sie verstehen?«
    Morenz nickte wieder. Die Sache war klar wie Kloßbrühe.
    »Leider gibt es unter unseren Gästen einige, zumindest aus arabischen oder afrikanischen Ländern, gelegentlich auch aus europäischen, die recht deutlich zu verstehen geben, daß sie sich lieber in weiblicher Gesellschaft entspannen würden. In bezahlter weiblicher Gesellschaft.«
    »Callgirls«, sagte Morenz.
    »Kurzum: ja. Und, um zu vermeiden, daß wichtige ausländische Besucher die Dienste von Hotelportiers oder Taxifahrern in Anspruch nehmen, den Rotlichtbezirk in der Hornstraße aufsuchen oder in Bars und Nachtklubs in Schwierigkeiten geraten, bietet die Bundesregierung ihnen eine bestimmte Telefonnummer an. Glauben Sie mir, lieber Morenz, so etwas geschieht in jeder Hauptstadt der Welt. Wir bilden da keine Ausnahme.«
    »Wir beschäftigen Callgirls?« fragte Morenz. Aust war schockiert.
    »Beschäftigen? Davon kann keine Rede sein. Wir beschäftigen und wir bezahlen sie nicht. Das tut der Kunde. Und, ich muß das betonen, wir werten auch nicht die Erkenntnisse bezüglich der Gepflogenheiten einiger unserer hochgestellten ausländischen Gäste aus, die dabei vielleicht anfallen. Die sogenannte Honigfalle. Wir können uns nicht über die Vorschriften und Bestimmungen unserer Verfassung hinwegsetzen, die ganz eindeutig sind. Die Honigfallen überlassen wir den Russen und.« Er rümpfte die Nase, ». den Franzosen.«
    Er nahm drei Aktendeckel von seinem Schreibtisch und reichte sie Morenz.
    »Es handelt sich um drei junge Frauen. Körperlich ganz verschiedene Typen. Ich bitte Sie, diese Sache zu übernehmen, weil Sie ein reifer, verheirateter Mann sind. Beaufsichtigen Sie die drei jungen Damen mit einem väterlichen Blick. Sorgen Sie dafür, daß sie sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen und auf ihr Äußeres achten. Kontrollieren Sie, ob sie in der Stadt oder krank oder auf Urlaub sind - kurzum: ob sie verfügbar sind.
    Und als letztes: Es kann sein, daß Sie hin und wieder von einem Herrn Jakobsen angerufen werden. Denken Sie sich nichts, wenn sich die Stimme des Anrufers verändert - es handelt sich immer um Herrn Jakobsen. Entsprechend den Neigungen des jeweiligen Gastes, über die Herr Jakobsen Sie aufklären wird, wählen Sie eine der drei Damen aus, legen den Zeitpunkt für einen Besuch fest, sorgen dafür, daß sie zur Verfügung steht. Herr Jakobsen wird sich dann bei Ihnen telefonisch nach Zeit und Ort erkundigen und beides dem Besucher mitteilen. Das übrige überlassen wir dem Callgirl und dem Kunden. Wirklich keine sehr beschwerliche Aufgabe. Sie dürfte Ihre übrigen Pflichten kaum beeinträchtigen.«
    Morenz, die Aktendeckel in der Hand, rappelte sich schwerfällig hoch. Toll, dachte er, als er das Chefbüro verließ, da habe ich dem BND dreißig Jahre lang treu gedient, und drei Jahre vor der Pensionierung kommt es so weit, daß ich Nutten für Ausländer betreuen muß, die eine Nacht über die Stränge schlagen wollen.
     
     
November 1983
    Sam McCready saß in einem abgedunkelten Raum in einem tiefen Kellergeschoß des Century House in London, der Zentrale des britischen Geheimdienstes SIS, von der Presse zumeist fälschlich MI-6 und von den Insidern >die Firma< genannt. McCready blickte auf einen zuckenden Bildschirm, auf dem die geballte militärische Macht der UdSSR (beziehungsweise ein Teil davon) in endloser Formation über den Roten Platz zog. Die Sowjetführung hält zweimal in jedem Jahr auf diesem Platz voller Stolz eine gewaltige Parade ab; die eine zum 1. Mai und die andere zur Feier der Großen Oktoberrevolution. Letztere findet am 7. November statt, und heute war der 8. November. Die Kamera verließ die Kolonnen dahinrumpelnder Panzer und schwenkte über die Reihe der Gesichter auf der Tribüne oberhalb des Lenin-Mausoleums.
    »Langsamer«, sagte McCready. Der Techniker neben ihm fuhr mit einer Hand über das Pult, und der Schwenk wurde langsamer. Präsident Reagans >Reich des Bösen< (wie er die Sowjetunion später nannte) machte mehr den Eindruck eines Altersheims. Vor dem kalten Wind verschwanden die verfallenen, vom Alter gezeichneten Gesichter beinahe in den hochgeschlagenen Mantelkrägen, die fast bis zu den grauen Filzhüten oder Tschapkas reichten.
    Der Generalsekretär selbst war nicht anwesend. Juri V. Andropow, KGB-Chef von 1963 bis 1978, der Ende 1982 die Nachfolge des allzu spät verstorbenen Leonid Breschnew angetreten hatte, ging in der

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