McCreadys Doppelspiel
durchgebracht und selbst nicht viel, ja, herzlich wenig vom Leben gehabt.
In drei Jahren, in ganzen sechsunddreißig Monaten, würde man ihn aufs Altenteil schicken. Im Büro würde es eine kleine Party geben, Aust eine Rede halten, man würde mit Sektgläsern anstoßen, und dann ging er seiner Wege. Wohin? Er bezog dann seine Pension, und er hatte die Ersparnisse aus seiner >anderen Arbeit<, die er in verschiedenen deutschen Städten auf kleinen bis mittleren Konten sorgsam gehortet hatte. Es würde genug da sein, mehr als irgend jemand annahm oder argwöhnte; genug, um ein Heim für seinen Lebensabend zu kaufen und zu tun, woran ihm wirklich etwas lag.
Hinter seiner freundlichen Fassade hatte Bruno Morenz auch seine Geheimnisse. Er hatte niemals Aust oder sonst jemandem in der Organisation von der >anderen Arbeit< erzählt - es war schließlich eine streng verbotene Tätigkeit, und wäre sie ruchbar geworden, hätte dies zu seiner sofortigen Entlassung geführt. Auch Irmtraut hatte er nie etwas über diese Arbeit und ebensowenig über seine geheimen Ersparnisse anvertraut. Aber das war nicht sein eigentliches Problem - so, wie er die Sache sah.
Sein wirkliches Problem, so wie er es sah, das war sein Wunsch, frei zu sein. Er wollte noch einmal von vorne anfangen, und genau zur rechten Zeit war ihm auch klar geworden, wie. Denn Bruno Morenz, ein Mann in vorgerückten Jahren, hatte sich verliebt. Hatte sich bis über beide Ohren rettungslos verliebt. Und das Wunderbare daran war, daß Renate, seine phantastische Renate in ihrer jugendlichen Schönheit, in ihn ebenso verliebt war, wie er in sie.
Dort, in diesem Café, an diesem Sommernachmittag, faßte Bruno Morenz endlich seinen Entschluß. Ich werde es tun, nahm er sich vor, ich werde es ihr sagen. Er würde ihr sagen, daß er vorhatte, Irmtraut - wohlversorgt - zu verlassen, in Frühpension zu gehen und sie mitzunehmen in ein neues Leben, in dem Traumhaus, das sie sich droben im Norden seiner Heimat an der Küste zulegen würden.
Bruno Morenz’ wirkliches Problem, wie er es nicht sah, bestand darin, daß er auf eine massive Midlifecrisis nicht etwa zusteuerte, sondern daß er schon mitten drin steckte. Weil er das nicht erkannte und weil er in seinem Beruf gelernt hatte, sich zu verstellen, bemerkte auch sonst niemand etwas davon.
Renate Heimendorf war sechsundzwanzig, eine mit 1,75 Meter hochgewachsene und wohlproportionierte Brünette. Mit achtzehn Jahren war sie die Geliebte und Gespielin eines wohlhabenden Unternehmers, dreimal so alt wie sie, geworden, und dieses Verhältnis hatte fünf Jahre gedauert. Als ihr Liebhaber an einer Herzattacke verschied, die er sich vermutlich durch allzu üppigen Genuß von Essen, Trinken, Zigarren und Liebesfreuden mit Renate zugezogen hatte, hatte er ungalanter Weise vergessen, sie in seinem Testament zu bedenken, und die rachsüchtige Witwe war nicht gesonnen, diesem Versäumnis abzuhelfen.
Renate Heimendorf war es gelungen, die Ausstattung ihres teuer eingerichteten Liebesnestes zu verscherbeln, die zusammen mit dem Schmuck und den Kinkerlitzchen, die er ihr im Laufe der Jahre geschenkt hatte, bei einer Versteigerung eine ansehnliche Summe erbrachte.
Allerdings nicht genug, um sich damit zur Ruhe zu setzen, nicht genug, um den Lebensstil, an den sie sich gewöhnt hatte, aufrechterhalten zu können. Sie hatte nicht die Absicht, darauf zu verzichten und sich mit der Position und dem armseligen Gehalt einer Sekretärin zu begnügen. So beschloß sie, ins Geschäftsleben einzusteigen. Angesichts ihrer Begabung, aus einem übergewichtigen älteren Mann ohne jede Kondition eine gewisse Erregung herauszukitzeln, gab es eigentlich nur eine einzige Branche, in der sie sich etablieren konnte.
Sie schloß einen langfristigen Mietvertrag für ihre Wohnung im ruhigen und bürgerlich-gesetzten Hahnwald ab, einem baumreichen Villenvorort von Köln. Die Behausungen in dieser Gegend waren solide Back- oder Sandsteinhäuser, auch das Haus, in dem sie wohnte und wirkte. Es war ein vierstöckiges Gebäude, dessen Wohnungen jeweils eine ganze Etage einnahmen. Ihr Zuhause befand sich im ersten Stock. Nachdem sie eingezogen war, ließ sie einige Umbauten vornehmen.
Die Wohnung hatte ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Bad, zwei Schlafzimmer sowie eine große Diele und einen Korridor. Das Wohnzimmer befand sich links von der Diele, die Küche daneben. Noch weiter hinten, links vom Korridor, der von der Diele aus nach rechts führte, waren
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