McCreadys Doppelspiel
neben einem Mann, der nach Wissen der Briten der stellvertretende Stabschef des IRA Army Council war. Mit gesenktem Kopf und abgewandtem Gesicht begannen sie leise miteinander zu sprechen.
Ihre Worte wurden auf dem Hügel auf Band aufgezeichnet. Die Aufnahme wurde dann nach Lurgan, von dort zum Flugplatz Aldergrove und weiter nach London befördert. Es hatte sich nur um eine Routine-Operation gehandelt, doch das Ergebnis war pures Gold. Pater O’Brien hatte dem Army Council Gaddafis Angebot in allen Einzelheiten unterbreitet.
»Wieviel?« fragte zwei Tage später in London Sir Anthony, der Vorsitzende des Koordinierungsstabes für die Geheimdienste.
»Zwanzig Tonnen, Tony. Das ist das Angebot.«
Der Generaldirektor des MI-5 nahm die Akte entgegen, die sein Kollege gerade gelesen hatte, und verstaute sie wieder in seinem Aktenkoffer. Das Tonband selbst hatte er nicht mitgebracht. Sir Anthony war ein vielbeschäftigter Mann; eine schriftliche Synopse genügte ihm zur Information.
Das Band war über einen Tag lang beim MI-5 in London gewesen, und die Spezialisten hatten gute Arbeit geleistet. Die Tonqualität hatte zwangsläufig zu wünschen übriggelassen. Zum einen hatte die >Wanze< einen halben Zentimeter tief im Holz gesteckt und war in das Grab herabgelassen worden, als das Gespräch begann. Zum anderen waren viele Störgeräusche vorhanden gewesen: das Schluchzen der ebenfalls dicht am Grab stehenden Mutter des jungen Terroristen, das Rascheln der frischen Brise über dem Grab und in der wallenden Soutane des Priesters und das Knallen der Gewehre der Ehrengarde der IRA mit ihren schwarzen Kapuzenmützen, die drei Salven mit Platzpatronen in die Luft schoß.
Für einen Rundfunktechniker wäre das Band eine Katastrophe gewesen, aber für solche Zwecke war es ja auch nicht gedacht. Im übrigen ist die Technik der elektronischen Klangverbesserung inzwischen sehr hoch entwickelt. In mühsamer Arbeit hatten Toningenieure die Hintergrundgeräusche ausgefiltert, die gesprochenen Worte in einen anderen Frequenzbereich >angehoben< und sie dadurch von allen anderen Geräuschen getrennt. Wohlklang konnte man den Stimmen des Priesters und des neben ihm stehenden Mannes vom Army Council deswegen immer noch nicht attestieren, aber es war deutlich zu verstehen, was die beiden gesagt hatten.
»Und die Konditionen?« fragte Sir Anthony weiter. »Kein Zweifel möglich?«
»Nein«, sagte der Generaldirektor. »Die zwanzig Tonnen werden aus den üblichen Maschinengewehren, Gewehren, Granaten, Mörsern, Pistolen, Zeitzündern und Panzerfäusten bestehen - wahrscheinlich tschechischen RPG-7. Außerdem zwei Tonnen Semtex-H. Davon muß die Hälfte für eine Serie von Bombenanschlägen auf dem britischen Festland verwendet werden, für gezielte Attentate, unter anderem auf den amerikanischen Botschafter. Anscheinend haben die Libyer darauf größten Wert gelegt.«
»Bobby, ich möchte, daß Sie das alles dem SIS vortragen«, sagte Sir Anthony schließlich. »Bitte diesmal keine Eifersüchteleien zwischen den Diensten. Uneingeschränkte Zusammenarbeit, auf der ganzen Linie. Es sieht alles nach einer Übersee-Operation aus - ihr Spezialgebiet. Von Libyen bis hinauf zu irgendeiner gottverlassenen Bucht an der irischen Küste wird es eine Auslandsoperation sein. Ich möchte, daß Sie dem SIS jede Unterstützung gewähren - und das gilt für Sie und alle Ihre Untergebenen.«
»Selbstverständlich«, sagte der Generaldirektor. »Die bekommen sie.«
Am frühen Abend hatten der Chef des SIS und sein Stellvertreter Timothy Edwards an einer längeren Sitzung in der Zentrale ihrer Schwesterorganisation in der Curzon Street teilgenommen. Ausnahmsweise hatte der Chef sich zu dem Eingeständnis durchgerungen, er könne die Informationen aus Ulster teilweise aufgrund des Berichts des libyschen Arztes bestätigen. Normalerweise brachten ihn keine zehn Pferde dazu, auch nur die Existenz von SIS-Agenten im Ausland einzuräumen, aber dies war keine normale Situation.
Er bat um Kooperation, und sie wurde ihm zugesagt. Der MI- 5 würde die Überwachung des Mannes vom Army Council der IRA verstärken, sowohl direkt als auch auf elektronischem Gebiet. Solange Pater O’Brien im Norden blieb, galt dasselbe für ihn. Kehrte er in die Republik Irland zurück, würde ihn der SIS übernehmen. Verstärkte Überwachung würde auch für einen anderen Mann angeordnet werden, der in dem Gespräch am Grab erwähnt worden war, ein Mann, der den britischen
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