McCreadys Doppelspiel
keine Partisanen-Organisation, derer man sich auf dieselbe Weise bedienen könnte. Die Suche geht weiter. Die Werkzeuge Ihrer Rache werden gefunden werden.«
Gaddafi nickte mehrmals und deutete dann mit einer Geste an, daß die Unterredung beendet sei.
»Kümmern Sie sich darum«, sagte er leise.
Das Sammeln geheimer Informationen ist ein merkwürdiges Geschäft. Nur selten bringt ein einziger Coup Antworten auf alle Fragen, geschweige denn Lösungen für alle Probleme. Die Suche nach der einen, einzigen Patentlösung ist eine amerikanische Besonderheit. In den meisten Fällen muß in geduldiger Arbeit ein Puzzle zusammengesetzt werden, Stück für Stück. In den meisten Fällen bekommt man das letzte Dutzend Teile nie; ein guter Geheimdienst-Analytiker kann jedoch auch aus einer lückenhaften Sammlung von Bruchstücken das ganze Bild zusammensetzen.
Manchmal fallen einem Teile in die Hand, die nicht zu dem Puzzle gehören, an dem man arbeitet, sondern zu einem anderen. Manchmal sind die Teile gefälscht, und niemals passen sie nach dem Zusammensetzen fugenlos zusammen wie die Teile eines echten Puzzlespiels mit ihren ineinandergreifenden Vorsprüngen und Einbuchtungen.
Im Century House, dem Sitz des britischen Secret Intelligence Service (SIS) gibt es Experten für Puzzlespiele. Sie verlassen nur selten ihren Schreibtisch; für das Sammeln der Einzelteile sind die Außenagenten zuständig. Die Analytiker versuchen dann, sie zusammenzusetzen. Noch vor Ende April waren zwei Teile eines neuen Puzzles im Century House eingegangen.
Das eine kam von dem libyschen Arzt, der Gaddafi in seinem Zelt die Arznei gegeben hatte. Der Mann hatte einen Sohn gehabt, den er sehr geliebt hatte. Der junge Mann hatte in England Ingenieurswesen studiert, als der libysche Geheimdienst an ihn herangetreten war und ihm eingeredet hatte, falls er seinen Vater liebe, müsse er sich bereit erklären, eine Aufgabe für den Großen Führer zu erledigen. Die Bombe, die der Geheimdienst ihm gegeben hatte, war vorzeitig explodiert. Der Vater hatte seinen Schmerz verborgen und die Beileidsbekundungen entgegengenommen, aber sein Herz war seither voller Haß. Er gab alle Informationen, die er sich dank seiner Stellung am Hofe Muammar Gaddafis beschaffen konnte, an die Briten weiter.
Sein Bericht über den Teil des Gesprächs in dem Zelt, den er mitgehört hatte, bevor er entlassen worden war, wurde nicht über die britische Botschaft in Tripolis weitergeben, denn diese wurde Tag und Nacht überwacht. Vielmehr ging er zunächst nach Kairo, wo er nach einer Woche eintraf. Von Kairo aus wurde er unverzüglich nach London weitergeleitet, wo man ihn für so wichtig hielt, daß er sofort dem Chef vorgelegt wurde.
»Er wird was tun?« fragte der Chef ungläubig.
»Anscheinend hat er der IRA angeboten, ihr Sprengstoffe und Waffen zu schenken«, sagte Timothy Edwards, der in diesem Monat vom Assistenten zum Stellvertreter des Leiters befördert worden war. »Zumindest ist das die einzige plausible Erklärung für den Teil der Unterredung, den unser Informant mitgehört hat.«
»Wie wurde das Angebot gemacht?«
»Offenbar über einen irischen Priester, der nach Libyen geflogen war.«
»Wissen wir, wer das ist?«
»Nein, Sir, vielleicht ist er gar kein richtiger Priester. Es könnte sich um eine Tarnung für einen Mann vom Army Council handeln. Aber das Angebot kommt offenbar direkt von Gaddafi.«
»Ah ja. Dann müssen wir jetzt herausfinden, wer dieser mysteriöse Geistliche ist. Ich frag mal bei der Box nach, ob die was drüber wissen. Wenn er in Nordirland sitzt, gehört er ihnen. Sitzt er im Süden oder irgendwo anders, nehmen wir ihn uns vor.«
>Box 500< ist der Insider-Spitzname für den MI-5, den britischen Security Service, die Spionageabwehr, die in Nordirland, das zu Großbritannien gehört, für die Terrorismusbekämpfung zuständig ist. Der SIS ist dagegen für geheimdienstliche Maßnahmen und Spionageabwehr im Ausland zuständig, einschließlich der Republik Irland, des >Südens<.
Der Chef aß noch am selben Tag mit seinem Kollegen, dem Generaldirektor des MI-5, zu Abend. Dritter Mann am Tisch war der Leiter des Koordinierungsstabes der britischen Geheimdienste; ihm würde es zufallen, das Cabinet Office zu unterrichten. Zwei Tage später förderte eine MI-5-Operation ein zweites Teil des Puzzlespiels zutage.
Damit hatte niemand gerechnet. Es war einer jener glücklichen Zufälle, die einem gelegentlich das Leben leichter machen. Ein
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