McCreadys Doppelspiel
Beschützer lautlos auf seine Fährte. Der andere beobachtete das verlassene Lagerhaus, griff aber nicht ein.
Zu Mittag aß Rowse an einem Würstchenstand eine große Bratwurst mit Senf. Sie schmeckte köstlich. Nebenbei unterhielt er sich aus dem Mundwinkel mit dem Mann, der neben ihm stand.
»Glauben Sie, O’Keefe hat Ihnen geglaubt?« wollte McCready wissen.
»Kann schon sein. Die Erklärung ist ja durchaus plausibel. Ein Thriller-Autor muß nun mal an seltsamen Orten seltsame Recherchen treiben. Aber vielleicht hat er auch seine Zweifel.
Er ist kein Dummkopf.«
»Und hat Kleist Ihnen geglaubt?«
Rowse lachte.
»Uli? Bestimmt nicht. Er denkt, ich bin eine Art Renegat, der zum Söldner wurde und jetzt für irgendeinen Klienten Waffen beschaffen soll. Er war zu höflich, um es mir ins Gesicht zu sagen, aber die Story mit dem Roman hat er mir nicht abgenommen.«
»Aha«, sagte McCready. »Na ja, vielleicht war das ja alles ganz nützlich. Auf alle Fälle haben Sie erreicht, daß man auf Sie aufmerksam geworden ist. Mal sehen, ob Sie in Wien noch ein Stück weiterkommen. Sie haben übrigens für morgen früh eine Maschine gebucht. Zahlen Sie am Flughafen in bar.«
Der Flug nach Wien ging über Frankfurt, und die Maschine startete pünktlich. Rowse saß in der Ersten Klasse. Nach dem Start verteilte eine Stewardeß Zeitungen. Englische waren nicht dabei. Rowse sprach gebrochen Deutsch und konnte die Schlagzeilen einigermaßen entziffern. Den groß aufgemachten Bericht auf der Titelseite der Morgenpost verstand er allerdings auf Anhieb.
Der Tote auf dem Foto hatte die Augen geschlossen und war von Abfall umgeben. Die Schlagzeile lautete: Mörder der Drogenbosse tot aufgefunden. Darunter stand, zwei Müllmänner hätten die Leiche neben einer Mülltonne in einer Gasse im Hafenviertel gefunden. Die Polizei gehe davon aus, daß es sich um einen Racheakt in der Unterwelt handle.
Rowse stand auf und ging durch den Mittelgang zu den Toiletten der Touristenklasse. In einer der letzten Sitzreihen ließ er die Zeitung einem zerknittert aussehenden Mann in den Schoß fallen, der im Bordmagazin der Fluggesellschaft blätterte.
»Sie Schwein«, zischte er.
Zu Rowses gelinder Überraschung nahm Major Karjagin in der sowjetischen Botschaft schon beim ersten Läuten ab. Rowse sprach russisch.
SAS-Soldaten, insbesondere die Offiziere, müssen vielseitig begabt sein. Da die kleinste Kampfeinheit beim SAS nur aus vier Mann besteht, muß jeder einzelne ein kleines Universalgenie sein. Alle vier Männer einer Gruppe sind im allgemeinen medizinisch vorgebildet und können mit dem Funkgerät umgehen, und zusammen sprechen sie eine ganze Reihe von Fremdsprachen, von ihren vielseitigen Kampftechniken nicht zu reden. Da das Regiment abgesehen von seiner Rolle innerhalb der NATO schon in Malaysia, Indonesien, Oman, Zentral- und Südamerika operiert hat, sind die Hauptsprachen von jeher Malayisch, Arabisch und Spanisch. Für den NATO-Einsatz werden dagegen Russisch (natürlich) und eine oder zwei Bündnissprachen bevorzugt. Rowse sprach Französisch, Russisch und das irische Gälisch.
Es war keine Seltenheit, daß Major Karjagin in der Botschaft einen Anruf von einem wildfremden Menschen bekam. Abgesehen von seiner offiziellen Funktion als Verteidigungsattaché hatte der GRU-Mann auch die Aufgabe, die zahllosen Lieferanfragen an den tschechischen Waffenhersteller Omnipol im Auge zu behalten.
Anfragen auf Regierungsebene wurden an die Husak- Regierung in Prag gerichtet. Die gingen ihn nichts an. Andere, meist solche dubioser Herkunft, gingen bei der Auslandsvertretung von Omnipol im neutralen Wien ein. Karjagin bekam sie alle zu sehen. Manche genehmigte er von sich aus, andere leitete er zur Entscheidung nach Moskau weiter, wieder andere lehnte er rundweg ab. Was er nicht nach Moskau meldete, war, daß sein Votum durch ein großzügiges Trinkgeld beeinflußt werden konnte. Er erklärte sich bereit, sich am Abend mit Rowse im Sacher zu treffen.
Er entsprach nicht der gängigen Klischeevorstellung von einem Russen. Er war gewandt, gepflegt, gut rasiert und gut gekleidet. Man kannte ihn in den berühmten Restaurants. Der Oberkellner führte ihn an einen Tisch in einiger Entfernung vom Orchester und dem Stimmengewirr der anderen Gäste. Die beiden Männer setzten sich und bestellten Tafelspitz und einen leichten, trockenen österreichischen Rotwein.
Rowse erklärte, welche Informationen er für seinen nächsten Roman brauche.
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