McCreadys Doppelspiel
sein.
Rowse hatte es im Spiegel beobachtet, ließ sich aber nichts anmerken. Als der größere sich von dem Becken abwandte, war er bereit. Er drehte sich um, duckte sich unter dem ersten Hammerschlag der großen Faust weg, der nach seinem Kopf zielte, und trat dem Mann mit der Fußspitze in die empfindliche Sehne unterhalb der linken Kniescheibe.
Der große Mann war darauf nicht gefaßt und schrie vor Schmerz auf. Sein linkes Bein knickte ein, so daß sein Kopf auf Hüfthöhe kam. Rowses Knie zuckte hoch und traf das Kinn. Eingeschlagene Zähne knirschten, und Blut trat aus dem Mund. Der Kampf endete mit einem dritten Schlag, vier harte Knöchel in den Halsansatz des großen Mannes. Rowse wandte sich dem an der Tür zu.
»Sachte, mein Freund«, sagte der Mann namens Seamus. »Er wollte nur mit Ihnen reden.«
Er hatte ein breites, jungenhaftes Lächeln, das bei den Mädchen sicherlich Wunder wirkte. Die Augen blieben kalt und wachsam.
»Qu’est-ce qui se passe?« fragte Rowse. Er hatte sich vorhin am Eingang des Lokals als Schweizer ausgegeben.
»Sparen Sie sich das, Mr. Rowse«, sagte Seamus. »Erstens steht Ihnen der Engländer ins Gesicht geschrieben. Zweitens war Ihr Foto auf dem Umschlag Ihres Buches, das ich mit großem Interesse gelesen habe. Und drittens waren Sie vor Jahren SAS-Mann in Belfast. Mir war gleich so, als hätte ich Sie schon mal gesehen.«
»Na und«, sagte Rowse. »Ich bin raus, schon lange. Ich lebe jetzt davon, daß ich Romane schreibe. Das ist alles.«
Seamus O’Keefe überlegte.
»Kann sein«, räumte er ein. »Wenn die Briten einen Agenten in mein Lokal schicken wollten, würden sie sich kaum einen aussuchen, dessen Gesicht auf so vielen Büchern prangt. Stimmt doch, oder?«
»Vielleicht doch«, sagte Rowse. »Aber mich würden sie bestimmt nicht nehmen. Weil ich nicht mehr für sie arbeiten würde. Wir haben uns nicht im besten Einvernehmen getrennt.«
»Stimmt, das habe ich auch gehört. Also gut, SAS-Mann, kommen Sie, ich lade Sie zu einem Drink ein. Einem richtigen Drink. Auf die alten Zeiten.«
Er trat den Keil unter der Tür weg und hielt sie auf. Der andere hatte sich inzwischen auf den Fliesen auf alle Viere aufgerichtet. Rowse ging durch die Tür. O’Keefe blieb noch eine Weile zurück und sagte dem anderen etwas ins Ohr. In der Bar saß Uli Kleist immer noch am Tisch. Der Geschäftsführer und der bullige Türsteher standen neben ihm. Die Mädchen waren nirgends zu sehen. Als Rowse vorbeiging, zog er eine Augenbraue hoch. Wenn Rowse ihm ein Zeichen gegeben hätte, dann hätte Kleist gekämpft, obwohl sie hoffnungslos unterlegen waren. Aber Rowse schüttelte den Kopf.
»Schon gut, Uli«, sagte er. »Kein Grund zur Aufregung. Fahr nach Hause. Wir sehen uns noch.«
O’Keefe fuhr mit ihm in seine Wohnung. Sie tranken Jamesons mit Wasser.
»Erzählen Sie mir von Ihren >Recherchen<, SAS-Mann«, sagte O’Keefe ruhig.
Rowse wußte, daß zwei Männer auf dem Flur waren, in Rufweite. Also keine Gewalttätigkeiten mehr. Er beschrieb O’Keefe in groben Zügen die Handlung seines zweiten Buches.
»Also nichts über die Jungs in Belfast?« fragte O’Keefe.
»Ich kann nicht zweimal über dasselbe schreiben«, sagte Rowse. »Das würde mir mein Verleger nicht abnehmen. Diesmal geht’s über Amerika.«
Sie redeten die ganze Nacht. Und tranken. Zum Glück vertrug Rowse Unmengen Whiskey. Bei Tagesanbruch ließ O’Keefe ihn gehen. Er ging zu Fuß zu seinem Hotel zurück, um wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen.
Die anderen bearbeiteten Kleist in dem verlassenen Lagerhaus, in das sie ihn gebracht hatten, nachdem Rowse das Lokal verlassen hatte. Der riesige Türsteher hielt ihn fest, und ein zweiter Palästinenser handhabte die Instrumente. Uli Kleist war sehr hart im Nehmen, aber die Palästinenser hatten in Süd-Beirut gelernt, was Schmerz ist. Kleist hielt lange durch, aber kurz vor Tagesanbruch redete er. Sie ließen ihn sterben, als die Sonne aufging. Es war eine Erlösung. Der Ire aus der Herrentoilette sah und hörte zu und tupfte sich ab und zu den blutenden Mund ab. Als es vorbei war, erstattete er O’Keefe Bericht. Der Stationschef der IRA nickte.
»Hab ich mir gedacht, daß da mehr dahintersteckt als ein Roman«, sagte er. Später schickte er ein Telegramm an einen Mann in Wien. Der Text war sorgfältig formuliert.
Als Rowse O’Keefes Wohnung verließ und durch die erwachende Stadt zu seinem Hotel am Hauptbahnhof ging, setzte sich einer seiner
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