McCreadys Doppelspiel
Karjagin hörte ihm höflich zu.
»Diese amerikanischen Terroristen -« sagte er, als Rowse geendet hatte.
»Fiktive Terroristen«, sagte Rowse.
»Natürlich, diese fiktiven amerikanischen Terroristen, was würden die sich denn so vorstellen?«
Rowse reichte Karjagin eine getippte Liste, die er aus der Brusttasche gezogen hatte. Der Russe las sie durch, zog eine Augenbraue hoch und gab sie ihm zurück.
»Unmöglich«, sagte er, »Sie sprechen mit dem falschen Mann. Warum sind Sie ausgerechnet zu mir gekommen?«
»Ein Freund in Hamburg sagte mir, Sie seien außerordentlich gut informiert.«
»Lassen Sie mich anders fragen: Warum überhaupt solche Recherchen? Warum denken Sie sich nicht einfach alles aus? Schließlich ist es nur für einen Roman.«
»Authentizität«, sagte Rowse. »Ein Romanautor kann es sich heute nicht mehr leisten, alles hoffnungslos falsch darzustellen. Es gibt heute zu viele Leser, die einem nicht jeden Unsinn abnehmen.«
»Es tut mir leid, aber Sie sind trotzdem an der falschen Stelle, Mr. Rowse. Diese Liste enthält einige Posten, die man nicht mehr zur konventionellen Bewaffnung zählen kann. Aktenkoffer mit eingebauten Bomben, Claymore-Minen - solche Sachen sind in sozialistischen Ländern einfach nicht zu haben. Warum arbeiten Sie nicht mit einfacheren Waffen in ihrem. Roman?«
»Weil die Terroristen - «
»Die fiktiven Terroristen«, murmelte Karjagin.
»- natürlich, die fiktiven Terroristen offenbar - zumindest will ich das in meinem Buch so darstellen - einen Anschlag auf das Weiße Haus planen. Simple Gewehre, wie man sie in jedem texanischen Waffengeschäft kaufen kann, wären da kaum geeignet.«
»Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte der Russe und tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab. »Wir leben in der Zeit der Glasnost. Waffen vom Typ der Claymore-Mine, die ohnehin amerikanischer Herkunft und nicht zu beschaffen ist -«
»Es gibt einen Ostblock-Nachbau«, sagte Rowse.
»Solche Waffen werden schlichtweg nicht geliefert, es sei denn auf Regierungsebene, und auch dann nur für legitime Verteidigungszwecke. Mein Land denkt nicht im Traum daran, solche Waffen zu verkaufen oder ihren Verkauf durch einen befreundeten Staat zu sanktionieren.«
»Beispielsweise die Tschechoslowakei.«
»Ganz recht, beispielsweise die Tschechoslowakei.«
»Und trotzdem gelangen diese Waffen in die Hände bestimmter Terroristengruppen«, sagte Rowse. »Beispielsweise der Palästinenser. «
»Schon möglich, aber ich habe nicht die leiseste Idee, auf welchem Weg«, sagte der Russe. Er schickte sich an, vom Tisch aufzustehen. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden - «
»Ich weiß, es ist unbescheiden«, sagte Rowse, »aber ich würde mir die Authentizität meines Buches durchaus etwas kosten lassen.«
Er hob die Ecke seiner zusammengefalteten Zeitung hoch, die auf dem dritten Stuhl am Tisch lag. Ein schmaler weißer Umschlag steckte zwischen den Blättern. Karjagin setzte sich wieder, zog den Umschlag heraus und warf einen Blick auf die DM-Scheine, die darin waren. Er überlegte kurz und steckte dann den Umschlag in seine Innentasche.
»Wenn ich Sie wäre und den Wunsch hätte, bestimmtes Material zu kaufen und es an eine Gruppe amerikanischer Terroristen zu verkaufen - natürlich alles fiktiv -, würde ich wahrscheinlich nach Tripolis gehen und mich um eine Unterredung mit einem gewissen Oberst Hakim al-Mansur bemühen. Aber jetzt muß ich wirklich weg. Gute Nacht, Mr. Rowse.«
»So weit, so gut«, sagte McCready, als sie nebeneinander in der Herrentoilette eines schäbigen Nachtlokals nicht weit von der Donau standen. »Ich finde, Sie sollten hinfliegen.«
»Und woher kriege ich ein Visum?«
»Die besten Aussichten hätten Sie ihm Libyschen Volksbüro in Valletta. Wenn man Ihnen dort ohne Verzögerung ein Visum ausstellt, bedeutet das, daß Sie angekündigt wurden.«
»Sie meinen, Karjagin wird Tripolis informieren?«
»Ja, allerdings. Warum hätte er Ihnen sonst geraten, nach Tripolis zu gehen? Doch, doch, Karjagin will seinem Freund al- Mansur Gelegenheit geben, Sie sich anzusehen, Ihrer lächerlichen Geschichte ein bißchen auf den Grund zu gehen. Wenigstens glaubt jetzt keiner mehr an die Recherchen für den Roman. Sie haben die erste Hürde genommen. Die andere Seite kommt allmählich zu der Überzeugung, daß Sie ein Renegat sind, der sich ein paar Dollar verdienen will, indem er für irgendeine zwielichtige Vereinigung verrückter Amerikaner arbeitet.
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