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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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noch schlimmer«, sagte Prinz. »Das wird denen in Bonn nicht gefallen, wenn diese Sexbänder weiß Gott wo kursieren.«
    Herrmann ließ sich nichts anmerken, aber der Magen drehte sich ihm um. »Sexbänder? Lieber Gott, was denn für Sexbänder?« Er heuchelte eine matte Überraschung und goß sich Wein nach.
    »So weit ist die Sache also herumgekommen. Ich war sicher nicht im Büro, als die neuesten Details eintrafen. Würden Sie mich bitte ins Bild setzen?«
    Prinz kam der Bitte nach. Nun verging Herrmann der Appetit völlig. Nicht der Duft des Bordeaux stieg ihm in die Nasenlöcher, sondern der Gestank eines Skandals von katastrophalen Ausmaßen.
    »Und immer noch keine Hinweise«, murmelte er kummervoll.
    »Nein, nicht sehr viele«, sagte Prinz. »Die Kriminalpolizei hat die Anweisung erhalten, sämtliche Leute von sämtlichen anderen Fällen abzuziehen und auf diesen anzusetzen. Gefahndet wird natürlich nach der Tatwaffe und dem Mann, von dem die Fingerabdrücke stammen.«
    Lothar Herrmann seufzte.
    »Ich frage mich, ob der Täter ein Ausländer sein könnte«, sagte er sinnend. Prinz löffelte den Rest seiner Eiscreme und legte dann den Löffel weg. Er grinste.
    »Aha, jetzt verstehe ich. Unsere Auslandsaufklärung ist interessiert?«
    Herrmann zuckte abschätzig die Achseln.
    »Mein lieber Freund, wir beide führen weitgehend die gleiche Aufgabe aus. Unsere politischen Asse zu beschützen...«
    Wie alle hochgestellten Beamten hatten auch diese beiden Männer eine Meinung von ihren politischen Assen, die sich deutlich von der Selbsteinschätzung der Politiker unterschied.
    »Wir haben natürlich selbst einiges Material«, sagte Herrmann. »Fingerabdrücke von Ausländern, auf die wir aufmerksam geworden sind. Leider aber besitzen wir keine Kopien von den Abdrücken, die unsere Freunde von der Kripo gern hätten.«
    »Sie könnten offiziell anfragen«, meinte Prinz.
    »Ja, schon, aber warum einen Hasen aufscheuchen, der einen wahrscheinlich nirgendwohin führt? Nun, inoffiziell.«
    »Ich mag das Wort >inoffiziell< nicht«, sagte Prinz.
    »Ich auch nicht, mein Freund, aber. hin und wieder. in Erinnerung an die alten Zeiten. Ich gebe Ihnen mein Wort, wenn ich etwas herausbekomme, erfahren Sie es sofort. Eine gemeinsame Anstrengung der beiden Dienste. Mein Wort darauf. Wenn sich nichts daraus ergibt, ist auch kein Schaden entstanden.«
    Prinz erhob sich. »Einverstanden, in Erinnerung an die alten Zeiten. Dies eine Mal.«
    Als er das Hotel verließ, ging ihm der Gedanke durch den Kopf, was Herrmann - im Unterschied zu ihm selbst - vielleicht wußte oder argwöhnen mochte.
    Im Braunschweiger Hof in Münchberg saß Sam McCready an der Bar. Er saß allein bei seinem Glas und starrte auf die dunkle Wandtäfelung. Er war besorgt, tief besorgt. Ein ums andere Mal ging ihm die Frage durch den Kopf, ob es richtig gewesen war, Morenz in die DDR zu schicken.
    Irgend etwas hatte mit dem Mann nicht gestimmt. Eine Sommergrippe? Aber die greift nicht die Nerven an. Sein alter Freund hatte einen überaus nervösen Eindruck gemacht. Hatten ihn seine Nerven im Stich gelassen? Nein, nicht den guten, alten Bruno. Er hatte es ja schon so oft gemacht. Und er war für die DDR-Organe unverdächtig - soweit er, McCready, wußte. Er versuchte, sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Er hatte keine Zeit gehabt, einen jüngeren Mann auf zutreiben. Und Pankratin würde bei einem Gesicht, das er nicht erkannte, nicht aus der Deckung kommen. Auch Pankratins Leben stand auf dem Spiel. Wenn ich, sagte McCready stumm zu sich, Morenz nicht losgeschickt hätte, wäre uns der sowjetische Aufmarschplan durch die Lappen gegangen. Er hatte keine andere Wahl gehabt. Aber trotzdem verließ ihn die Sorge nicht.
    Hundert Kilometer weiter nördlich saß Bruno Morenz in der Bar des Schwarzen Bären in Jena. Er trank ebenfalls, und ebenfalls allein. Doch im Gegensatz zu McCready vertrug Morenz den Alkohol nicht. Nicht mehr. Er hatte sich eingebildet, das Trinken gebe ihm Halt, würde ihn aufrichten, in Wahrheit aber brachte es ihn nur dem Abgrund näher.
    Drüben auf der anderen Straßenseite sah er den Haupteingang der altehrwürdigen Schiller-Universität. Davor war eine MarxBüste zu sehen, und eine Tafel verkündete, daß Marx hier 1841 an der philosophischen Fakultät gelehrt hatte. Morenz wäre es am liebsten gewesen, der bärtige Philosoph wäre dabei tot umgekippt. Dann wäre er nie nach London gefahren, hätte Das Kapital nicht geschrieben, und er,

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