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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Morenz, säße jetzt nicht so fern der Heimat in diesem Jammertal.
     
     
Mittwoch
    Um ein Uhr nachts traf im Dom-Hotel ein versiegelter brauner Umschlag für Dr. Herrmann ein. Er war noch nicht schlafen gegangen. Das Kuvert enthielt drei große Fotografien, zwei von zwei verschiedenen 9mm-Kugeln, eine von Daumen- und Handflächen-Abdrucken. Er beschloß, sie nicht nach Pullach zu faxen, sondern sie am Morgen selbst mitzunehmen. Wenn die winzigen Kratzspuren an den Seiten der Projektile und die Abdrücke mit den in Pullach aufbewahrten übereinstimmten, saß er schön in der Klemme. Wem davon berichten und wieviel? Wenn nur dieser verdammte Morenz aufkreuzen würde. Um neun Uhr flog er mit der ersten Maschine zurück nach München.
    Um zehn Uhr erkundigte sich Majorin Wanawskaja in Berlin neuerlich danach, wo sich der Mann aufhielt, hinter dem sie her war. Er sei in der Garnison außerhalb von Erfurt, wurde ihr mitgeteilt. Um sechs Uhr abends werde er von dort nach Potsdam abfahren und am nächsten Tag nach Moskau zurückfliegen.
    Und ich mit dir, du Schurke! dachte sie.
    Um halb zwölf erhob sich Morenz von seinem Stuhl in dem Café, wo er die Zeit totgeschlagen hatte, und ging auf den Wagen zu. Er war verkatert, sein Schlips war offen, und er hatte sich am Morgen nicht zum Rasieren überwinden können. Graue Stoppeln bedeckten Wangen und Kinn. Er sah gar nicht wie ein Geschäftsmann aus, der in Bälde im Sitzungssaal der Zeiss- Werke über optische Linsen verhandeln sollte. Er fuhr in mäßigem Tempo aus der Stadt hinaus in westlicher Richtung, auf Weimar zu. Der Parkplatz war fünf Kilometer entfernt.
    Er war größer als der am Vortag, von dicht belaubten Birken überschattet, die die Straße auf beiden Seiten flankierten. Auf der anderen Straßenseite lag zwischen den Bäumen das Café Mühltalperle. Es wimmelte nicht gerade von Gästen. Er fuhr um fünf vor zwölf auf den Parkplatz, holte den Werkzeugkasten heraus und öffnete wieder die Motorhaube. Zwei Minuten nach zwölf rollte der GAZ-Jeep über den Kies und hielt an. Der Mann, der ausstieg, trug einen Arbeitsanzug und Schaftstiefel, dazu die Abzeichen eines Korporals und eine über die Augen gezogene Feldmütze. Er kam gemächlich auf den BMW zu.
    »Wenn Sie Schwierigkeiten haben, vielleicht hilft Ihnen mein Werkzeugkasten«, sagte er. Er stellte seinen hölzernen Werkzeugkasten auf den Zylinderblock. Ein schmutziger Daumennagel schnippte den Verschluß auf. In dem Kasten lagen Schraubenschlüssel in einem wirren Durcheinander.
    »Poltergeist, wie geht’s denn so?« murmelte er. Morenz’ Mund war wie ausgetrocknet.
    »Gut«, flüsterte Poltergeist zurück. Er schob die Schraubenschlüssel auf die Seite. Darunter kam das Buch in der roten Plastikhülle zum Vorschein. Der Russe nahm einen Schraubenschlüssel zur Hand und zog die gelockerte Mutter an. Morenz nahm das Buch heraus und stopfte es unter seinen Regenmantel, wobei er es mit dem linken Arm gegen die Achselhöhle klemmte. Der Russe legte den Schraubenschlüssel in den Werkzeugkasten zurück und schloß ihn.
    »Ich muß weg« murmelte er. »Warten Sie hier noch zehn Minuten. Und zeigen Sie sich dankbar. Es kann ja sein, daß uns jemand beobachtet.«
    Er richtete sich auf, machte eine winkende Bewegung und ging zu seinem Jeep zurück. Den Motor hatte er laufen lassen. Morenz winkte ihm nach und rief: »Danke.« Der Jeep fuhr davon, zurück in Richtung Erfurt. Morenz hatte ein flaues Gefühl im Magen. Nichts wie weg von hier, sagte er zu sich. Er brauchte einen Schluck. Er würde später an den Straßenrand fahren und das Buch in dem Fach unter der Batterie verstauen.
    Aber jetzt brauchte er erst einmal einen ordentlichen Schluck. Er ließ den Kühlerdeckel zufallen, warf das Werkzeug in den Kofferraum, verschloß ihn und klemmte sich hinters Steuer. Der Flachmann lag im Handschuhkasten. Er holte ihn heraus und nahm einen langen, köstlichen Zug. Fünf Minuten später, als sein Selbstvertrauen wiederhergestellt war, fuhr er in Richtung Jena weiter. Er hatte auf der Herfahrt hinter Jena, kurz vor der Verbindungsstraße zur Autobahn in Richtung Grenze, einen anderen Parkplatz entdeckt. Dort würde er eine Pause machen und das Buch in seinem Versteck verstauen.
    Der Zusammenstoß war nicht einmal seine Schuld. In der häßlichen Wohnsiedlung am Stadtrand von Jena kam ein Trabant aus einer Seitenstraße geschossen. Morenz hätte beinahe noch rechtzeitig anhalten können, aber seine Reaktionen waren

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