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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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aus Grün und Orange, das im Sonnenlicht noch körniger als sonst wirkte. Und ihr gefiel, daß er so groß war. Eine interessante Kombination für einen Mann, kraftvoll und doch intelligent. Cecilia hatte die Zigarette genommen, und er zündete sie ihr an.
»Ich weiß, was du meinst«, sagte er, als sie fast am Brunnen angelangt waren. »Es steckt mehr Leben in Fielding, aber dafür ist er psychologisch oft viel unschärfer als Richardson.« Sie stellte die Vase neben den rauhen Stufen ab, die zum Steinbecken anstiegen. Auf eine Grundsemesterdebatte über die Literatur des achtzehnten Jahrhunderts hatte sie nun wirklich keine Lust. Außerdem fand sie Fielding keineswegs unscharf, und Richardson hielt sie auch nicht gerade für einen überragenden Psychologen, aber sie wollte sich gar nicht darauf einlassen, wollte nicht definieren, parieren oder attackieren. Davon hatte sie genug, und Robbie konnte schrecklich logisch sein.
Also sagte sie: »Hast du schon gewußt, daß Leon heute abend kommt?«
»Ich hab so was läuten hören. Freust du dich?« »Er bringt seinen Freund mit, diesen Paul Marshall.« »Den Schokoladenmillionär? Herrje, und für den hast du Blumen gepflückt?«
Sie lächelte. Tat er eifersüchtig, um zu verbergen, daß er tatsächlich eifersüchtig war? Sie verstand ihn nicht mehr. In Cambridge hatten sie sich auseinandergelebt. Alles andere wäre auch zu schwierig geworden. Sie wechselte das Thema.
»Der alte Herr sagt, du willst Arzt werden?«
»Ich habe drüber nachgedacht, ja.«
»Das Studentenleben scheint dir zu gefallen.«
Wieder wandte er den Blick ab, doch diesmal nur kurz, kaum eine Sekunde lang. Als er sich wieder umdrehte, meinte sie, einen Anflug von Ärger zu erkennen. Hatte sie zu abfällig geklungen? Erneut schaute sie in seine Augen, sah die grünen, die apfelsinenfarbenen Sprenkel wie in einer Kindermurmel. Doch war er die Freundlichkeit selbst, als er erwiderte: »Ich weiß, Cee, daß du nicht viel davon hältst. Aber wie soll ich sonst Arzt werden?« »Eben. Aber noch mal sechs Jahre? Und warum das alles?« Er war nicht beleidigt. Sie war es, die zuviel in seine Bemerkungen hineininterpretierte, die in seiner Gegenwart ganz hibbelig wurde, und das ärgerte sie.
Er nahm ihre Frage ernst. »Weil mir kein Mensch jemals Arbeit als Landschaftsgärtner geben wird. Unterrichten will ich nicht, und Beamter mag ich nicht werden. Aber Medizin interessiert mich…« Er verstummte, als wäre ihm etwas eingefallen. »Hör mal, ich habe mit deinem Vater vereinbart, daß ich alles zurückzahle. So ist es abgemacht.«
»Daran habe ich doch überhaupt nicht gedacht.« Es überraschte sie, daß er glaubte, sie hätte das Thema Geld angeschnitten. Wie kleinlich von ihm. Robbies Ausbildung war von Anfang an von ihrem Vater finanziert worden, und nie hatte sich jemand deswegen beschwert. Fast hatte sie schon geglaubt, es sich nur einzubilden, aber offenbar war Robbie in letzter Zeit tatsächlich ziemlich schwierig. Er legte es darauf an, sie sooft wie möglich bloßzustellen. Vor zwei Tagen hatte er zum Beispiel geklingelt – was an sich schon merkwürdig war, da er sonst kam und ging, wie es ihm gefiel. Als man sie rief, stand er draußen und fragte mit lauter, kühler Stimme, ob er sich ein Buch ausleihen dürfe. Der Zufall wollte es, daß Polly auf den Knien die Fliesen der Eingangshalle schrubbte. Also zog Robbie umständlich die Schuhe aus, die überhaupt nicht dreckig waren, und anschließend, als wären sie ihm erst nachträglich eingefallen, auch noch die Socken, um dann wie ein Clown auf Zehenspitzen über den nassen Boden zu kaspern. Ständig legte er es darauf an, sich von ihr zu distanzieren. Er gab den Sohn der Putzfrau, der eine Besorgung im Herrenhaus zu erledigen hat. Sie ging mit ihm in die Bibliothek, und als er sein Buch gefunden hatte, bat sie ihn, doch auf einen Kaffee zu bleiben. Stotternd schlug er ihre Bitte aus, aber das war nur Theater – sie kannte kaum jemanden, der so selbstsicher war wie Robbie. Sie wußte genau, daß er sich über sie lustig machte, als er ihr einen Korb gab. Sie ging nach oben, legte sich mit Clarissa aufs Bett, las, ohne ein Wort zu verstehen, und spürte, wie sie immer ärgerlicher und verwirrter wurde. Er machte sich über sie lustig, oder sie wurde bestraft – und sie wußte nicht, was schlimmer war. Bestraft, weil sie sich in Cambridge in anderen Kreisen bewegt hatte, weil ihre Mutter keine Zugehfrau war und weil sie so schlecht abgeschnitten

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