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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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hatte – dabei bekamen Frauen doch sowieso kein richtiges Abschlußzeugnis.
Sie hob die Vase auf und stellte sie – etwas unbeholfen, weil sie die Zigarette noch in der Hand hielt – auf den Beckenrand. Sicher wäre es vernünftiger gewesen, erst die Blumen herauszunehmen, aber sie war einfach zu durcheinander. Mit heißen, trocknen Händen drückte sie das Porzellan gegen den Körper. Robbie sagte nichts, aber sie sah seinem Gesicht an – seinem gezwungenen, angespannten Lächeln, bei dem sich kaum die Lippen verzogen –, wie leid ihm seine Worte taten, was sie jedoch keineswegs beruhigte. So war es in letzter Zeit nämlich immer, wenn sie sich unterhielten: Stets hatte einer von beiden etwas Falsches gesagt und wollte die letzte Bemerkung wieder ungeschehen machen. Ihren Gesprächen fehlte jede Leichtigkeit und Verläßlichkeit; man konnte sich dabei nicht entspannen. Statt dessen immer bloß Sticheleien, Fallenstellerei und verlegenes Schweigen, was sie sich selbst beinahe ebensosehr zum Vorwurf machte, obwohl sie keinen Moment daran zweifelte, bei wem die Schuld zu suchen war. Schließlich hatte sie sich nicht verändert, ganz im Gegensatz zu ihm. Er stellte diesen Abstand her zwischen sich und der Familie, die so völlig offen zu ihm gewesen war und ihm alles gegeben hatte. Da sie aber damit rechnete, erneut einen Korb von ihm zu bekommen, und weil sie wußte, wie sehr sie sich darüber ärgern würde, hatte sie ihn nicht zum Dinner eingeladen. War schließlich sein Problem, wenn er sich unbedingt absondern wollte.
Vier Delphine trugen auf ihren Schwanzflossen die Muschel, in der der Triton hockte; und dem Delphin, der Cecilia am nächsten war, quollen Moos und Algen aus seinem weit geöffneten Maul. Die kugelförmigen steinernen Augenballen, groß wie Äpfel, schimmerten grünlich. Auf den nordwärts gewandten Flächen hatte die ganze Statue eine blaugrüne Patina angesetzt, so daß der muskelbepackte Triton, wenn man sich bei dämmrigem Licht aus einem bestimmten Winkel näherte, hundert Faden tief im Meer zu stehen schien. Gewiß hatte Bernini sich vorgestellt, daß das Wasser fröhlich aus der breiten Muschel mit ihren gewellten Rändern in das Becken plätscherte, doch war der Druck zu schwach, weshalb das Wasser lautlos über die Unterseite der Muschel rann, von der schmarotzender Schleim in tropfenden Fäden herabhing wie Stalaktiten in einer Kalksteinhöhle. Das Becken selbst war gut einen Meter tief, das Wasser klar, der Grund aus fahlem, cremefarbenem Stein, auf dem sich weißrandige Rechtecke aus gebrochenem Sonnenlicht wellten, einander überlappten und sich wieder teilten. Sie hatte vorgehabt, sich über die Brüstung zu lehnen, die Blumen in der Vase zu lassen und das kostbare Stück seitlich einzutauchen, doch in ebendiesem Augenblick wollte Robbie etwas wiedergutmachen und beschloß, ihr zu helfen.
»Gib her«, sagte er und streckte eine Hand aus. »Ich füll sie für dich, wenn du so lange die Blumen hältst.«
»Danke, ich schaff das schon.« Sie hielt die Vase bereits über das Becken.
Aber er sagte: »Guck, ich hab sie schon«, und hielt den Rand der Vase fest zwischen Daumen und Zeigefinger. »Paß auf, deine Zigarette wird naß. Komm, nimm die Blumen.« Mit dieser Aufforderung versuchte er, ihr seine männliche Autorität aufzudrängen, doch erreichte er damit bei Cecilia nur, daß sie noch fester zupackte. Sie hatte keine Zeit und auch überhaupt keine Lust, ihm zu erklären, daß sie sich, wenn sie die Vase zusammen mit den Blumen eintauchte, davon ebenjenen Eindruck unverfälschter Natürlichkeit erhoffte, den sie mit ihrem Arrangement hervorrufen wollte. Also verstärkte sie ihren Griff und wandte ihm zugleich den Rücken zu, doch ließ Robbie sich nicht so leicht abschütteln. Mit einem Geräusch, als bräche ein trockner Ast, splitterte ein Teil vom Vasenrand ab und zerbrach in zwei dreieckige Stücke, die aus seiner Hand ins Wasser fielen und synchron in Zickzackschwüngen zu Boden sanken, wo sie sich in einigen Zentimetern Abstand im gebrochenen Licht zu krümmen schienen. Cecilia und Robbie erstarrten mitten im Kampf. Ihre Blicke trafen sich, doch vermochte Cecilia in der giftigen Melange aus Grün und Orange weder Entsetzen noch ein schlechtes Gewissen zu erkennen, höchstens so etwas wie Anmaßung, vielleicht sogar ein Triumphgefühl. Sie war geistesgegenwärtig genug, die beschädigte Vase wieder auf die Stufe zu stellen, bevor sie sich der Bedeutung dieses Vorfalls bewußt

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