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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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müssen.
    „Das ist doch alles unglaublich anstrengend?“, brach es aus Leon hervor. „Ich meine, wenn wir in der Schule mal so einen Lauf über fünf Kilometer haben, dann ist das schon ganz ordentlich, aber wenn ich denke, dass du sogar mehr als 40 an einem Stück läufst. Das wäre nichts für mich.“ Er schüttelte sich regelrecht bei dem Gedanken. Kai schmunzelte und rückte ein winziges bisschen näher heran.
    „Die Figur dafür hast du aber“, meinte er möglichst neutral. „Mit ein bisschen Training könntest du das auch. Ist genau genommen alles eine Frage des richtigen Trainings und des Willens. Die Ultras läufst du nicht mit dem Körper, sondern mit dem Kopf. Eiserner Wille, das ist alles.“ Täuschte sich Kai oder waren Leons Wangen bei seinen Worten etwas röter geworden, als es nur die Wärme hier drinnen bewirkte? Er schob sich noch ein wenig näher heran, aber Leons Augen waren schon wieder auf den Plan gerichtet. Kai riskierte einen Blick auf den Nacken. Seine Hand zuckte im Impuls, über die feinen Härchen zu streichen oder den Atem darüber hauchen zu lassen. Es würde Leon bestimmt nicht gut gefallen. Stattdessen beugte sich Kai vor und berührte bewusst und vorsichtig mit seinem Oberkörper Leons Schulter. Er zeigte auf die Tabelle, wobei seine Hand Leons Arm streifte.
    „Siehst du?“ Scheinbar unbeeindruckt von Leons Zusammenzucken fuhr er fort: „Das ist mein Wochenpensum. Da steht für heute eigentlich eine Laufeinheit von 10 Kilometern an der IAS. Ich bin mir nicht sicher, ob ich später nochmal Lust habe mich da draußen durchfrosten zu lassen. Wahrscheinlich lande ich wieder in einer Schneewehe und wer zieht mich dann raus?“ Er genoss die Nähe zu Leon. Donnerwetter roch der gut. Pure Versuchung. Verdammt! Ich sollte mich wirklich zurückhalten. Der Junge ist erst siebzehn und hetero. Trotzdem konnte er irgendwie nicht widerstehen.
    Leon hatte sich sichtlich versteift. Er hatte allerdings keine Fluchtmöglichkeit, wenn er nicht durch eine heftigere Reaktion zeigen wollte, dass er sich von Kai in die Enge getrieben fühlte. Nur sein beschleunigter Atem bewies Kai, dass er sehr wohl registrierte, wie nahe Kai ihm gekommen war. Er konnte ja zum Glück nicht in dessen Kopf schauen, noch erahnen, welche Fantasien sein attraktiver Körper auslöste. Du bist definitiv untervögelt, schimpfte Kai mit sich und wich entschlossen zurück.
    „Was bedeutet denn IAS?“, fragte Leon nach. Er schaute hoch und Kai wünschte sich, ihm die Strähnen aus der Stirn streichen zu dürfen, ihm vielleicht dabei über die Wangen zu fahren und ... Mühsam riss er sich zusammen. „IAS? Das ist die individuelle anaerobe Schwelle. Der Bereich, in dem ich trainieren muss, wenn es einen Effekt haben soll.“
    „Das klingt ganz schön kompliziert“, meinte Leon. „Du hast von dem ganzen Kram viel Ahnung, oder?“ Kai schwang sich auf seinen Stuhl, weit genug von Leon entfernt, um diesem nicht mehr gefährlich werden zu können und strahlte ihn an. „Hey Mann. Ich habe Sport studiert“, erklärte er. Leon lächelte nun anders, weitaus offener. Er ist verdammt hübsch anzusehen, wenn er auf diese Art lächelt. Kai hätte ihm um ein Haar einen verliebten Blick zugeworfen. Hetero, hetero, verdammt nochmal: hetero.  
    „Ich werde ihn heute gründlich überarbeiten müssen, wenn ich im Studio bin“, erklärte er und stand auf. „Ich glaube, wir müssen los.“
    „Ja, klar“, erklärte Leon hastig und eilte an Kai vorbei in den Flur voraus. Kai sah ihm hinterher und entließ ein leises Seufzen, bevor er ihm folgte. Warum sieht er auch so verdammt gut aus? Und warum springst du derart auf ihn an? Komm endlich auf andere Gedanken.  
    Leon streifte sich Handschuhe über und sie zogen beide die Schultern hoch, als sie hinaus in den scharfen, kalten Ostwind traten. „Arschkalt“, murmelte Leon. „Saukalt“, pflichtete ihm Kai bei. Sie stapften durch den frisch gefallenen Schnee zu dem Geländewagen hin. Kai kletterte rasch ins windgeschützte Innere. Sofort umgab ihn der Duft von Heu und Pferd. Schnell zog er die Tür zu, als eine eisige Windböe Eiskristalle heranwirbelte und ihm die Tür aus der Hand zu reißen drohte.
    „Scheiß Winter“, fluchte Kai unwirsch und starrte beinahe hasserfüllt auf die grauweiße Umgebung. „Ich bin es echt leid, immerzu zu frieren.“ Die ganze Ladefläche des Autos war freigeräumt worden und nur ein paar Strohhalme hatten sich hartnäckig geweigert zu

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