Mecklenburger Winter
Unterlippe. „Keine Ahnung. Bestimmt würde ich ihr nicht so etwas sagen … wie du gestern.“ Abermals zögerte er. Sein Blick wanderte zwischen Kai und der Straße hin und her und er erklärte entschlossener: „Naja, über ihren Hintern würde ich bestimmt nichts sagen.“
„Logisch, weil der dich wohl auch nicht so interessiert wie mich“, bestätigte Kai schmunzelnd. Und bevor Leon mehr machen konnte, als nach Luft schnappen, ergänzte er schon: „Aber ihre Brüste wären doch eine Erwähnung wert.“ Leon schnaubte empört: „Ich sag doch einem Mädel nicht gleich beim ersten Mal, das sie tolle … Tit ... äh, Brüste hat. Was würde sie wohl von mir denken?“
„Das du cool bist, mit einem Blick für das Wesentliche?“ Kai lachte auf. Leon grinste und fiel in das Lachen ein. „Kein Mädel mag es derart plump angemacht zu werden, schätze ich. Ich würde ihr Komplimente machen. Über ihr Haar oder ihre Lippen oder so. Eben was Unverfängliches, denke ich.“ Kai verdrehte gespielt die Augen. „Oh, wie langweilig. Denkst du, das hört sie nicht von tausend anderen feschen Typen auch? Warum sollte sie deswegen Interesse an dir zeigen?“ Er beugte sich zu Leon herüber, vermied es aber, ihm so nahe zu kommen, wie den Tag zuvor.
„Du hast wunderschöne Haare. Ich mag es wie sie dir in die Stirn fallen und du sie immer wieder zurück streichst. Du siehst süß aus, wenn deine Augen darunter hervor blitzen.“ Kai grinste. Ob Leon wusste, dass er keineswegs scherzte? Er hatte seiner Stimme nur einen Hauch Süße gegeben. „Hm … Lippen ist schwieriger. Das ist kaum unverfänglich, oder? Mmh, mal sehen: Deine Lippen sind unglaublich weich und voll, ich möchte sie mit meinen Küssen bedecken, darüber lecken, bis sie rot und wund sind.“ Kai lehnte sich glucksend lachend zurück und beobachtete Leons Reaktion. Eindeutig seine Wangen glühen. Vermutlich hat er die Zweideutigkeit sehr wohl verstanden. Leon schien noch zu überlegen. Vielleicht rang er auch nach Worten oder Luft. Seine Beine zuckten auf jeden Fall fast unmerklich zusammen.
„Glaubst du nicht, das würde ein Mädchen gerne hören wollen?“, fragte Leon verunsichert nach. „Keine Ahnung“, brummte Kai. „Ich weiß nicht, was ein Mädchen heutzutage hören will. Die, mit denen ich damals ausgegangen bin, fanden meine gewohnte Anmache ganz okay. Und ich habe dabei nie nur was Nettes über ihre Haare oder ihre Lippen gesagt, da sei dir sicher. Es war eigentlich auch nie was „Unverfängliches“ fürchte ich. Ganz im Gegenteil.“ Er lachte anzüglich auf. Bei den Dates mit Mädchen war er kaum weniger direkt gewesen, als bei den Männern. Es war keine schlechte Technik und sie funktionierte in den allermeisten Fällen. Von der einen oder anderen Ohrfeige mal abgesehen. Aber das waren wirklich nur Mädchen gewesen. Männer benutzten schließlich ihre Fäuste.
Leon sah ihn verwirrt an. „Du bist mit Mädchen ausgegangen?“ Kai lachte über den erstaunten Gesichtsausdruck. „Ja, klar. Ein paar Mal. Und ja, ich hatte auch Sex mit ihnen. Nicht gerade wenig, wenn ich daran zurück denke. War eine wilde Zeit und es war auch ganz okay. Aber nichts im Vergleich dazu, wie ich abgehe, wenn ich mit einem Mann schlafe.“ Diesmal schaffte Leon es nicht, ganz unbeteiligt zu tun. Er schluckte heftig mehrfach hintereinander. Kai lehnte sich zurück und grinste in sich hinein. Sein Gespräch mit Leon gefiel ihm immer besser.
Minutenlang schwiegen sie, während Leon über das Gesagte nach dachte. Ein paar Mal biss er sich unbewusst auf die Unterlippe und setzte an, etwas zu sagen und brach wieder ab. „Seid wann ...?“, begann er, unsicher, wie er es formulieren sollte. „Seid wann bist du denn ... so?“
„So?“ Kai ermahnte sich sofort, dass Leon tatsächlich zum ersten Mal mit einem offen schwulen Mann zu tun hatte und entsprechend unsicher und neugierig war. „Schwul? Macht es dir Probleme, das Wort auszusprechen? Du kannst auch „homosexuell“ sagen. Ich kann mit schwul leben.“ Zu Kais Überraschung nickte Leon und sah ihn zum ersten Mal während der Fahrt direkt an. „Naja. Ich habe ja davon so gar keine Ahnung. Wie wird man denn ... so? Ich meine, wieso bist du eigentlich schw … ul?“ Himmel, er tut sich wirklich schwer mit dem Wort. „Wenn du doch eigentlich jedes Mädchen haben kannst?“ Leon leckte sich nervös über die Lippen. Er hielt dabei exakt den geforderten Mindestabstand zu dem LKW vor ihnen ein. Er ist ein
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