Medicus 02 - Der Schamane
Organisation stand ein Nationaler Rat, der alle politischen Entscheidungen von übergreifender Bedeutung traf, so auch die Auswahl der Kandidaten des Supreme Order für das Amt des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten. Der Nationale Rat entschied auch über die Bestrafung von pflichtvergessenen Mitgliedern und legte die umfangreichen Rituale der Vereinigung fest. Es gab zwei Arten der Mitgliedschaft. Um den ersten Grad zu erlangen, musste der Kandidat ein erwachsener Mann sein, der in den Vereinigten Staaten als Kind protestantischer Eltern geboren und nicht mit einer Katholikin verheiratet war.
Jedem Bewerber wurde eine einfache Frage gestellt: »Sind Sie bereit, bei Wahlen zu allen Ehren-, Vertrauens- oder bezahlten Ämtern, die das Volk zu vergeben hat, Ihren Einfluss und Ihre Stimme ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit nur für im Lande geborene amerikanische Staatsbürger zu verwenden sowie für den Ausschluss aller Fremden, insbesondere Katholiken, aus diesen Ämtern einzutreten?« Ein Mann, der das gelobte, musste jede andere Parteizugehörigkeit aufgeben, sich dem politischen Willen des Supreme Order unterwerfen und auf eine Änderung des Einbürgerungsgesetzes hinarbeiten. Er wurde dafür in Geheimnisse eingeweiht, die in dem Bericht ausführlich beschrieben wurden: bestimmte Erkennungszeichen, eine besondere Form des Händedrucks, Codewörter und Warnsignale. Um den zweiten Grad der Mitgliedschaft zu erreichen, musste der Betreffende ein bewährtes, langjähriges Mitglied sein. Nur Kandidaten des zweiten Grades konnten Ämter innerhalb des Order bekleiden, durften an dessen geheimen Aktivitäten teilnehmen und erhielten entsprechende Unterstützung für ihre Bewerbung bei kommunalen oder nationalen Wahlen. Als Amtsträger hatten sie Anweisung, alle Ausländer, Fremden und Katholiken, die unter ihnen arbeiteten, zu entlassen und keinesfalls »Ämter, die Sie zu vergeben haben, mit solchen zu besetzen«.
Rob J. starrte Miriam Ferocia an. »Wie viele sind es denn?« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir glauben nicht, dass der Geheimbund sehr viele Mitglieder hat. Vielleicht tausend. Aber sie sind das Rückgrat der American Party. Ich habe Ihnen diese Seiten gegeben, weil Sie ein Gegner dieser Leute sind, die unserer Kirche schaden wollen, und weil Sie das Wesen derjenigen kennen sollten, die uns Böses wollen und für deren Seelen wir beten.« Sie sah ihn ernst an. »Aber Sie müssen mir versprechen, mit diesem Material keinesfalls ein vermutliches Mitglied des Supreme Order in Illinois zu konfrontieren, denn das könnte den Mann, der das geschrieben hat, in größte Gefahr bringen.«
Rob J. nickte. Er faltete die Seiten zusammen und reichte sie ihr zurück, doch sie schüttelte den Kopf. »Das ist für Sie«, sagte sie, »das und meine Gebete.«
»Sie dürfen nicht für mich beten!« Es war ihm unangenehm, über Glaubensdinge mit ihr zu reden. »Sie können mich nicht davon abhalten. Sie haben Gebete verdient, und ich habe mich schon oft für Sie beim Herrn eingesetzt.«
»So wie Sie für unsere Feinde beten«, erwiderte er mürrisch.
Zu Hause las er den Bericht noch einmal, und er betrachtete dann lange die zitterige Handschrift. Das hatte ein Mensch geschrieben (vielleicht ein Priester?), der ein Doppelleben führte, der vorgab, etwas zu sein, was er gar nicht war, und der dabei seine Sicherheit, vielleicht sogar sein Leben aufs Spiel setzte. Rob J. hätte sich gerne mit diesem Mann unterhalten.
Nick Holden hatte dank seines Rufs als Indianerkämpfer zwei Wiederwahlen problemlos gewonnen, doch bei seiner Kandidatur zur vierten Amtszeit musste er gegen John Kurland, den Anwalt aus Rock Island, antreten. Kurland stand nicht nur bei den Demokraten in hohem Ansehen, und es gab Hinweise, dass Holden bei der Nichtswisser-Partei allmählich an Rückhalt verlor. Einige Leute prophezeiten, dass der Kongressabgeordnete sein Amt verlieren werde, und Rob J. wartete darauf, dass Nick eine spektakuläre Aktion vom Zaun brach, um Wählerstimmen zu gewinnen. Er war deshalb nicht sonderlich überrascht, als er eines Nachmittags nach Hause kam und erfuhr, dass Holden und Sheriff Graham wieder einmal einen Freiwilligentrupp zusammenstellten. »Der Sheriff sagt, dass Frank Mosby, der Gesetzlose, sich irgendwo im Norden versteckt«, berichtete Alden. »Nick hat die Leute so aufgehetzt, dass sie Mosby eher aufhängen als verhaften, wenn Sie mich fragen. Und Graham verteilt die Blechsterne mit beiden
Weitere Kostenlose Bücher